Battle of the Weak: Die Debatte Nehammer vs. Babler
Warum sich beide Kandidaten mit ihrer Vorbereitung verzettelt haben
Manchmal, wenn ich Politiker-Interviews schaue, frage ich mich, ob das alles Absicht ist.
Als jemand, der selbst Politiker auf Medienauftritte vorbereitet, weiß ich, dass es nicht leicht ist, auf alles vorbereitet zu sein. Themen, Fragen und Angriffspunkte kann man antizipieren – aber selten alle. Und gerade in einem Wahlkampf hat man nicht immer Stunden, um sich darauf vorzubereiten, sondern nur wenig Zeit, man ist im Dauerstress.
Das ist vor allem für TV-Duelle wahr. Der Nationalratswahlkampf ist auch ein Dauer-Reigen an Fernsehauftritten: Alle Sender haben ihre eigenen Sommergespräche, Ameisen- und Elefantenrunden, im ORF duelliert einmal jeder gegen jeden, auf Puls24 dafür alle gegen alle, aber in Vertretung. Dazu kommt noch, dass jede Zeitung ein eigenes Interview haben will, rund um Medienaufschläge neue dazukommen und dass man auch die eigenen Kanäle bespielen muss. Und da haben wir von Radio und Podcast noch gar nicht geredet.
Ich verstehe also, dass Karl Nehammer und Andreas Babler wenig Zeit hatten, um sich auf ihr Duell gegeneinander vorzubereiten. Aber ich verstehe nicht, wieso es derart desaströs geworden ist.
Für mich sind Duelle „Rot gegen Schwarz“ immer die schlimmsten aller Duelle. Beiden Parteien merkt man in der Regel an, dass sie aus Parteien kommen, die älter als die Republik sind, und dass sie seit 100 Jahren gedanklich immer noch im Bürgerkrieg sind. Da geht es nicht um Ideen, Policy oder Fakten, sondern da geht es um Ideologie und eine tief gewachsene Antipathie, die sich aus Jahrzehnten der gegenseitigen Blockade nährt. Es ist eine Qual, zuzuschauen.
Besonders bleibt mir da das Duell Hundstorfer gegen Kohl 2016 in Erinnerung. Auf der einen Seite der rote Sozialminister, der alles war, nur kein Charismatiker, auf der anderen Seite Andreas Khol, der die ÖVP die letzten 100 Jahre prägte und sie gefühlt noch weitere 100 im Fernsehen vertreten wird. Zuvor war der Bundespräsident immer einer dieser beiden Parteien angehörig – die beiden wurden Vierter und Fünfter, nur Richard Lugner schnitt noch schlechter ab.
Auch, wenn mit Alexander Van der Bellen, Irmgard Griss und Norbert Hofer interessante und (wie sich rausstellen sollte) aussichtsreiche Namen im Rennen waren, die es sich zu attackieren lohnen würde – die damaligen Großkoalitionäre gingen niemandem so sehr an die Gurgel wie ihrem angeblichen Partner. „Beliebigkeit hat einen Namen“, so oder so ähnlich redete Khol über Hundstorfer, der im ähnlich beleidigten Ton zurückmaulte. Es war das mit Abstand tiefste, was ich bis dahin in der Politik gesehen hatte.
Babler und Nehammer sind keine Partner. Und das merkt man.
Zwar war das aktuelle TV-Duell nicht annähernd so tief und beleidigend wie das 2016. Aber es war eine ähnlich unwürdige Vorstellung, wenn man sich die Rhetorik der beiden anschaut. Beide waren auf ihre Art top vorbereitet – aber haben es komplett versäumt, irgendeinen Punkt zu verwerten. Im Fußball würde man von einem chancenreichen, aber verdienten 0:0 sprechen.
Da war auf der einen Seite Nehammer, der nicht offensichtlicher machen konnte, was seine einstudierten Sprüche waren. Gefühlt jede zweite Minute erwähnte er das Wort „Faktencheck“, was nicht mehr als ein Gegenspin gegen die Behauptungen von Andreas Babler war, aber der ÖVP-Parteizentrale offensichtlich so gefällt, dass der Kanzler es in jedem dritten Satz erwähnen muss, sonst glaubt man, die Wahl verloren zu haben. Auch das Framing, dass Babler an „Ideologien der 30er Jahre“ glaube, kam schlankte 83 Millionen Mal vor, leicht aufgerundet. Was ein fairer Punkt ist, aber wenn man Wörter oft genug sagt, verlieren sie ihre Bedeutung.
Auf der anderen Seite war Andreas Babler, der keine Phrasen, aber Social-Media-Clips vorbereitet hatte. Die Spielanlage war peinlich offensichtlich: Der SPÖ-Chef war permanent auf der Lauer, eine Frage nur minimal zu berühren, um dann zum eigenen geplanten Sager zu bekommen, den man auf TikTok im Jubelton mit heroischer Musik im Hintergrund spielen kann: „Babler zerlegt Schmähhammer mit Herz und Hirn!“
So legte sich Babler selbst eine Brücke und bezeichnete sich als „aus der Mitte der Gesellschaft“ kommend, nur um dann den eigenen Monolog zu starten, was es bedeute, aus dieser Mitte zu sein. Blöd nur, dass die Frage nicht ansatzweise in diese Richtung ging – und er unterbrochen wurde. So lief es etwa so oft, wie Nehammer „Faktencheck“ sagen konnte, und am Ende blieb ein Sozialdemokrat, der lange Erzählungen anfängt, die er bringen will, aber nie zum Punkt kommt. „I mog den Sotz oba sogn“ als trotzige Reaktion war das Einzige, was hängen bleiben konnte.
In beiden Fällen merkt man, wie wichtig Flexibilität in der politischen Debatte ist.
Denn wer nur in der Vorbereitung hängt, macht am Ende keine Punkte damit. Und nein, das läuft jetzt nicht auf ein Hit Piece hinaus, dass die beiden nicht reden können – das können sie ja. Andere Duelle von ihnen waren stark, teilweise auch Reden von ihnen, auch wenn sie ab und zu immer noch wirklich potschert sind. Aber weil das immerhin auch noch ein Kommunikations-Newsletter ist, was im Wahlkampf manchmal weniger auffällt, ein paar Learnings für gelungene politische Kommunikation:
Wer nicht bereit ist, sich auf die Fragen einzulassen, verliert. In einer Welt, in der nur Armin Wolf die Regeln macht, beantworten alle Politiker die Fragen, die ihnen gestellt werden, ohne einen Spin zu verwenden. De facto ist genau das Gegenteil der Fall: Man will die Gelegenheit nutzen, um Spin zu transportieren, die Fragen sehen viele nur als Vehikel dafür. Aber das Geheimnis ist: Man kann beides machen. Eine Frage nach dem Gesundheitssystem kann man mit dem Framing „Reformkraft“, „Mit Herz und Hirn“ oder „Stabilität“ beantworten – wichtig ist, dass die Antwort zumindest einigermaßen mit Gesundheit zu tun hat. Babler und Nehammer haben das nicht ansatzweise geschafft.
Wenn man zu sehr an der Unterlage hängt, ist die Unterlage sinnlos. Ein guter Spin ist einer, der nicht als Spin auffällt, weil er eben zur Frage passt, aber sich auch nicht deplatziert anfühlt. Dass ein Kanzler und Interviewgast von „Faktencheck“ spricht, während er Parteipositionen erzählt, ist merkwürdig, dass ein Oppositionspolitiker eine Geschichte erzählt, die mit der Frage nichts zu tun hat, fällt als maximal ausgelutschtes Politikerklischee auf, aber nicht positiv. Vorbereitung macht man für die Reaktion – und wenn sie gut ist, wird sie auch passen.
Zur Schlammschlacht gehören immer zwei. Das ganze Gespräch war eine plumpe Abfolge von auswendig gelernten Phrasen mit dem Ziel, die Wähler des jeweils anderen zu demobilisieren. Besonders unauthentisch dabei: Dass sich der jeweils angegriffene über den anderen empört. Andreas Babler regt sich auf, nicht ausreden zu dürfen, plappert aber gefühlt zwei Stunden nach Ende der Sendung ungebrochen weiter, als würde Alexandra Wachter nicht schon verzweifelt flehen, bitte endlich die Sendung beenden zu dürfen. Das passt nicht. Und beide haben es nicht geschafft, sich diesem Kreislauf der Pseudo-Erschrockenheit zu entziehen.
Hätten Karl Nehammer und Andreas Babler das beachtet, hätte das ein angenehmes, interessantes oder gar sinnvolles Gespräch sein können. So reiht es sich ein in eine Reihe von SPÖ-ÖVP-Duellen, die absolut niemandem helfen, nicht mal dem Publikum.
Ich würde wirklich gern wissen, wie diese Vorbereitung ausgesehen hat.
Noch mehr Lesestoff
🔮 Was kommt nach Andi Babler? Mit dieser Frage scheint man sich auch in der SPÖ zu beschäftigen. Für mich ist das logisch: Wer antritt, um die Partei aus dem Rendi-Wagner-Loch zu holen, aber gleichzeitig ein schlechteres Ergebnis macht und mit unseriösen Vorschlägen die Koalitionsverhandlungen erschwert, ist ein Risiko für die Fraktion „Regieren um jeden Preis“. Gleichzeitig glaube ich, dass Babler genau gegen diese Fraktion gewonnen hat, als er zum Chef gewählt wurde. Aber das ist ein anderer Text.
🏫 Lasst uns die Volksschule verlängern! Der Vorschlag von Christoph Wiederkehr wird von der Wissenschaft geteilt. Denn die frühe Trennung der Kinder in „gute“ und „schlechte“ Schulen – und trust me, durch meine Hauptschule kann ich da mitreden –, ist eine entwicklungspsychologische Katastrophe und macht für Kinder, Eltern und Lehrer nur Stress. Schön zu sehen, dass ein sachlicher Policy-Vorschlag im Wahlkampf diskutiert wird.
📰 Interview mit Sepp Schellhorn. Der NEOS-Dritte auf der Bundesliste spricht in der PRESSE davon, dass alle großen Probleme Österreichs mit einem F beginnen. Zitat:
Wir haben vier Probleme in diesem Land, die allesamt mit F beginnen. Das ist der Föderalismus, der nicht ordentlich gelebt wird. Dieser führt zu einem Förderalismus, bei dem alles doppelt und dreifach subventioniert ist. Und wenn dieser ausartet, dann wird natürlich auch zugegriffen, wo es nicht notwendig ist – es kommt also zu einem Fladeralismus auf der einen Seite und einem Feudalismus der Landeshauptleute auf der anderen. Die nötigen Maßnahmen kann man nicht singulär sehen, aber man kann den Ort sehen, an dem man die benötigten zwölf bis 20 Mrd. Euro holen könnte.
Stuff aus dem Internet
Habt ihr die Debate gesehen?
Ich meine Harris gegen Trump, nicht Babler gegen Nehammer. Das war eine gute Vorbereitung – aber nur von einer Seite. Stichwort „They’re eating the dogs.“
Angesichts des aktuellen Hochwassers eine politische Erinnerung, die heute noch passen würde.
Something something „über die Natur nett reden, aber Umweltschutz ignorieren“
Kennt ihr schon unsere Kinospots?
Not gonna lie, ich glaub sie sind sogar geil, wenn man nicht so biased ist wie ich.