Wenn es irgendwo einen Generationenkonflikt gibt, dann wahrscheinlich im Journalismus. Auf der einen Seite steht - ich verkürze hier selbstverständlich - die gut bezahlte “alte Garde”, die in den goldenen Jahren des Print-Journalismus angefangen hat, weit mehr als 5.000 € zu verdienen. Auf der anderen stehen die Jungen, denen man solche Verträge gar nicht mehr geben kann.
Das finden viele berechtigterweise unfair, aber durch den ökonomischen Druck vieler Redaktionen ist das auch nur logisch. Ein älterer Journalist, der bereits 5.000+ verdient hat, wird nicht um 3.000 € arbeiten und bringt wertvolle Erfahrung und Prestige mit. Ein jüngerer Journalist, der sich mit über 1.000 Publizistik-Studierenden pro Semester um den Job schlagen muss, hat keine Verhandlungsbasis. Und irgendjemand macht den Job immer gratis - danke, liebe Reiche-Eltern-Fraktion.
So war auch die Kritik erwartbar, als die ZEIT IM BILD, immerhin das wichtigste Nachrichtenmagazin des Landes, ein Praktikum im Social Media-Bereich ausgeschrieben hat. Das ist der Text dazu:
1.000 € für ein Praktikum. Beim ORF betont man jetzt: Praktikum. Viele andere betonen eher: 1.000 €. Brutto.
Es ist eine Schieflage, mit der alle irgendwie umgehen müssen und gegen die sich niemand wirklich ausspricht. Jeder etablierte Journalist weiß, dass man junge Menschen ausbeutet, und kein junger Journalist kann es sich leisten, den Job abzuweisen. Berufserfahrung ist alles, und es gibt genug, die in die Branche reinwollen. Und trotzdem muss man sagen: Die ZIB macht das nicht mal wahnsinnig schlecht. Denn es gibt viel schlimmere Praktiken in der Branche, die ich selbst erlebt habe.
Geld im Journalismus: Meine Erfahrungen
Beim KURIER bekam ich 2015 einen Platz als Volontär. “Volontariat” heißt, dass ich es freiwillig mache und jederzeit gehen kann. Es ist eine andere Rechtsform als ein Praktikum und ermöglicht auch, das Gehalt möglichst frei zu gestalten. Aber zur Ehrenrettung des KURIER muss ich sagen: Wenigstens habe ich etwas verdient. Das war und ist auch nicht selbstverständlich, wenn man mit 21 das erste Mal in eine größere Redaktion kommt. Ich kannte damals schon genug Leute, die gratis gearbeitet haben.
Im Studium durfte ich dann ein Seminar bei einem Journalisten der PRESSE machen - und war natürlich total gespannt, als wir in die Redaktion gegangen sind, um uns anzuschauen, wo die echten Journalisten arbeiten. Damals wäre die PRESSE ein interessanter Arbeitgeber für mich gewesen. An einem Samstag - es war nicht viel los - sind wir dann in dem Raum gesessen, in dem die Journalisten normalerweise ihre Redaktionskonferenz halten, und wurden auf die Lehrredaktion hingewiesen. Dabei zahlte man damals 3.000 €, um für die PRESSE arbeiten zu dürfen. Richtig: Zahlen, um arbeiten zu dürfen. Offiziell begründet wird es damit, dass die Lehrredaktion eine Ausbildung ist und dass man ja auch ein Gehalt verdient - nämlich 1.500 € während der gesamten Lehrredaktion. Aber dass man damit automatisch aussortiert, wer Journalist werden darf und wer nicht, bedenkt in der Redaktion anscheinend niemand.
Bei meiner ersten Gehaltsverhandlung war dann auch eher suboptimal. Beim ersten Gespräch nannte ich eine Zahl, die ich für angemessen hielt. Es ist gut gelaufen und ich habe mir große Hoffnungen gemacht. Als ich zum zweiten Gespräch eingeladen wurde, war dann der “Chef-Chef” da und fragte mit eher mürrischem Ton nach, ob das meine Gehaltsvorstellung war. Vielleicht war es nur eine Laune und keine Strategie, vielleicht habe ich die Situation eingeschätzt - aber am Ende bin ich auf den “Fixkosten decken”-Beitrag runtergegangen. Besser, als den Job nicht zu kriegen, oder?
Bezahlung im Journalismus - ein Teufelskreis
Es gibt unzählige Geschichten wie diese. Der Einstieg in den Journalismus ist nun mal prekär, und dafür gibt es kaum eine Ausnahme. Man kann das so sehen, als wäre es kein Problem, weil das meist eh “nur Studienjobs” sind, bei denen junge Leute 1-2 Monate kommen und sich “ein bisserl was dazuverdienen dürfen”. Aber dafür muss man früh anfangen.
Ich habe davon profitiert, schon mit 17 erste Texte gegen Bezahlung geschrieben zu haben. Danach war jeder Halt in meiner journalistischen Karriere mit “viel Erfahrung für mein Alter” leichter zu bekommen. Aber viele haben dieses Privileg nicht. Und wenn man dann 25 ist, das Studium vielleicht schon abgeschlossen hat und Miete zahlen muss, weil die Familienbeihilfe auch bald ausbleibt - dann geht sich das eben nicht mehr aus, “freiwillig” für einen Hungerlohn zu arbeiten. Dann gehen sich 40-Stunden-Jobs mit einem Hungerlohn einfach nicht mehr aus. Und das läuft dann wieder auf die Frage hinaus: Können sich deine Eltern leisten, dir diese Ausbeutung zu kompensieren? Oder können sie es nicht?
Das führt dazu, dass - gerade bei “Lehrredaktionen”, für die man auch noch zahlen muss - Journalismus weiterhin vor allem etwas für Akademikerkinder ist. Manche kommen in Redaktionen rein, weil Mama und Papa jemanden kennen, manche, weil sie sich auch Gratis-Arbeit leisten können. Wer neben dem Studium noch mit einem 30-Stunden-Job struggelt und sich entscheiden muss zwischen Journalismus oder Miete zahlen, wird irgendwann nicht mehr reinkommen und wird systematisch ausgeschlossen. Das ist ein sozialer Missstand, den jeder beenden will - aber niemand kann.
Wer es sich leisten kann, kann sich für das Praktikum der ZIB hier bewerben.
Im Journalismus verdient man nix, gleichzeitig sind Medien teuer - aber mein Update zu Politik und Medien ist gratis. Wenn du auf “Subscribe Now” klickst, erhältst du Schetts Update direkt als E-Mail - jederzeit abbestellbar.
Und wenn dir das zu viel Commitment ist, folge mir auf Facebook, Twitter oder Instagram.