Die letzten Wochen, Monate, Jahre waren hart, polarisiert und in politischer Hinsicht einfach zum Wegschmeißen. Aber langsam gibt es Licht am Ende des Tunnels. Alleine schon deswegen, weil sich Österreich auf ein Instrument geeinigt hat, mit dem das ständige Auf und Zu ein Ende finden soll. Habemus Impfpflicht.
Ich muss sagen, ich habe echt Hoffnung, dass die Pandemie damit bald aufhört. Oder zumindest so sehr “aufhört”, wie das möglich ist.
Obwohl es durch die Impfpflicht nicht sofort zur Durchimpfungsrate von 100 % kommen wird, ist sie der Grundstein dafür, dass im nächsten Herbst und Winter alle geschützt sind - und zwar genau dann, wenn die nächsten großen Wellen losgehen, im schlimmsten Fall sogar mit ärgeren Varianten.
Zusätzlich schießt Omikron gerade in die Höhe. Das ist zwar eigentlich schlecht, aber nicht nur: Die mildere Variante des Coronavirus sorgt dafür, dass früher oder später ein Großteil der Bevölkerung zumindest 1x genesen aus dieser Welle hervorgeht.
In den nächsten Corona-Winter gehen wir also großteils geimpft und genesen. Und das ist wahrscheinlich die realistischste Lösung, die wir haben, um unser normales Leben zurückzubekommen.
Das sagt auch der “Hammer and the Dance”-Typ.
Wir erinnern uns, am Anfang der Pandemie gab es diesen weltweit beachteten Artikel The Hammer and the Dance von Tomas Pueyo. Demnach müsste man zuerst den “Hammer” in die Hand nehmen und mit brutalen Maßnahmen - z. B. Lockdowns, damals eine neue Erfindung - die Fallzahl nach unten schrauben, um nicht durch exponentielles Wachstum die Kontrolle zu verlieren. Darauf folge der “Dance”: Wir gewinnen langsam Freiheiten zurück und wissen rechtzeitig, wann wir wieder Einschränkungen brauchen.
Dieser Tomas Pueyo spricht jetzt von der neuen Herausforderung: Zurück ins normale Leben zu kommen. Nach zwei Jahren, in denen wir bei jedem sozialen Event darüber nachgedacht haben, ob es wohl drinnen oder draußen ist, wie der 3G-Status der anderen wohl lautet und ob es das Risiko wohl wert ist, müssen wir alle wieder lernen, unser Leben zu genießen. Und das bedeutet auch, eine eventuelle Ansteckung in Kauf zu nehmen.
Ich bin da momentan noch etwas zwiegespalten. Egal, wie die aktuelle pandemische Lage aussieht, man muss es nie darauf anlegen, sich ein Virus anzufangen. Aber jetzt, wo die Daten zeigen, dass das eigene Risiko, daran schwer zu erkranken oder zu sterben, deutlich reduziert ist - noch dazu, wenn man vernünftig und 3x geimpft ist - … ist es nicht langsam Zeit, dieses Restrisiko einzusehen?
Momentan halte ich es so: Ich treffe mich mit Freunden. Mein gesamtes Umfeld ist geimpft, die allermeisten schon 3x, und wenn wir eine große Gruppe sind, wird sicherheitshalber vorher getestet. Gerade in Wien funktioniert das einwandfrei, und damit habe ich einen Modus gefunden, den ich theoretisch ewig so weitermachen könnte. Da gibt es nur ein Problem:
2G+ kann nicht das Endgame sein.
Auch, wenn es theoretisch einfach für immer ginge, sich vor jedem sozialen Event zu testen, obwohl man geimpft und/oder genesen ist - nach Omikron eher beides -, kann das nicht die Lösung für den Rest unseres Lebens sein. Es wird den Zeitpunkt geben, in dem wir wieder in die Clubs oder auf Kulturveranstaltungen gehen, ohne zu wissen, wie es um die Gesundheit der Fremden neben uns bestellt ist. Eben genau so, wie uns das vorher bei anderen Krankheiten egal war.
Dass sich so viele Politiker:innen, die jetzt für die Impfpflicht stimmen, mit “Aber”-Sätzen dafür entschuldigen, zeigt, wie unbeliebt dieses Gesetz ist und dass es sich jeder gewünscht hätte. Und auch, wenn es keinen Grund gibt, sich nicht impfen zu lassen: Jemanden zu einem medizinischen Eingriff zu zwingen, ist nicht nichts, sondern ein Eingriff in die Grundrechte, der gut begründet sein will und damit etwas bringen muss. “Ultima Ratio” eben.
Das bedeutet auch, dass wir die gesellschaftliche Polarisierung, die durch Corona um ein Vielfaches schlimmer geworden ist, auch zurückschrauben müssen. Ich will die paar Leute in meinem erweiterten Freundes- und Bekanntenkreis, die sich bis jetzt nicht impfen wollten, nicht ihr Leben lang daran erinnern, dass sie 2020-2022 falsch gelegen sind. Wenn wir uns darauf verlassen können, nicht an Corona zu sterben, müssen wir auch wieder lernen, Dummheiten zu vergeben und darüber hinwegzusehen. So, wie wir das eben vorher gemacht haben.
Es wird wieder Zeit, zu leben.
Dafür, dass wir nicht an dieser Dummheit sterben, sorgen die Impfpflicht, die Durchseuchung durch Omikron und Medikamente, die hoffentlich schon nächsten Winter flächendeckend verfügbar sind. Sofern nicht eine neue Super-Mutante kommt, die nicht nur tödlicher ist, sondern auch den Impfschutz unterwandert, ist das Ende absehbar. Und das bedeutet auch, dass die Einschränkungen für die wenigen Ungeimpften, die auf ihrer Meinung beharren (und die Strafe zahlen) früher oder später fallen müssen.
Die Kombination aus hoher Gesamtimmunität der Bevölkerung, nicht überquellenden Krankenhäusern und den schon bald verfügbaren Medikamenten gegen Corona rechtfertigt keine weiteren Maßnahmen mehr, die das Leben derart einschränken. Noch ist nicht der Zeitpunkt gekommen, in dem wir alle Zügel loslassen und wieder so leben, als gäbe es keinen Virus - aber er ist nicht mehr allzu fern.
Ich für meinen Teil habe große Hoffnung, dass nach dieser Welle das Schlimmste vorbei ist und wir die allgemeinen Einschränkungen, die unser Leben so lange geprägt haben, endlich fallen lassen können. Wenn es eine individuelle Entscheidung ist, wie gut man sich gegen Krankheiten schützt, ist alles so sehr beim Alten, wie es nur sein kann. Und auch, wenn ich mir das Ende der Pandemie anders vorgestellt habe: Mittlerweile ist diese Vorstellung wirklich genug für mich, um wieder happy zu sein.
Bis dahin: Stay safe. Diesmal leuchtet das Ende des Tunnels schon sehr hell.
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🔍 Das “TL;DR”-Gesetz, das wir alle brauchen. In den USA wird ein Gesetz diskutiert, das die großen Tech-Konzerne dazu verpflichten soll, ihre AGBs auch in einer kurzen, allgemein verständlichen Form zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollen sie darauf hinweisen, wenn sie vor Kurzem von Hacks oder Daten-Leaks betroffen waren. Liebe EU, bitte nachmachen! (Washington Post)