Das F in Facebook steht für FPÖ.
Facebook ist einer von zwei Gründen, warum die FPÖ so brutal gut dasteht.
Heute ein eher kurzes Update, aber eines, das mich in letzter Zeit beschäftigt.
Seit der Niederösterreich-Wahl ist die FPÖ ja wieder in aller Munde. Das Narrativ, dass sie ohnehin gewinne und nicht aufzuhalten sei, wird durch unseren gelernten polit-medialen Diskurs gerade wieder zur „self-fulfilling prophecy“ – und ich fürchte, wir steuern wieder auf eine Wahl zu, in der taktisches Wählen und „XY verhindern“ dominieren, statt inhaltliche Ansagen.
Um das zu verhindern, müssen wir uns auch mit der Fehleranalyse beschäftigen. Was macht die FPÖ gerade jetzt so stark? Dazu habe ich zwei Punkte:
Herbert Kickl ist ein extrem starker Rhetoriker und versteht es gut, mehrere isolierte Wählergruppen zu monopolisieren.
Die FPÖ hat seit den Anfängen von Social Media die mit Abstand beste Facebook-Maschinerie.
Über den ersten Punkt werde ich auch noch einen Artikel schreiben, sollte ich ihn je fertig kriegen. Ich arbeite mich gerade durch den politischen Aschermittwoch der FPÖ, weil ich glaube, dass er extrem viel über die Kommunikation von Herbert Kickl zeigt. Leider komme ich nur schleppend dazu, weil auch sonst viel los ist. Aber fürs Erste reden wir heute kurz über das Facebook-Dilemma.
Eine These, die ich schon mehrmals erwähnt haben dürfte und über die ich auch gerne im Materie-Podcast rede:
Ich glaube, es ist eine Katastrophe, dass die Altparteien SPÖ und ÖVP in den Jahren 2009 bis 2016 Facebook komplett der FPÖ überlassen haben.
Die Freiheitlichen haben schon in den ersten Tagen auf Facebook gesetzt. Nicht nur mit der Seite von HC Strache, sondern auch mit Parteiprofilen und den zahlreichen inoffiziellen Parteimedien wie Unzensuriert, Wochenblick und „Erstaunlich“. Während SPÖ und ÖVP noch immer dachten, der Boulevard und die ORF-Landesstudios wären die Zukunft der Kommunikation, konnte die FPÖ jahrelang die Feeds mit Fake News fluten.
Die Konsequenz sind Narrative, die mittlerweile Mainstream geworden sind. Jeder glaubt, schon 100 Geschichten von Asylwerbern gehört zu haben, die neue iPhones und Autos vom Staat bezahlt bekommen haben. (Haben sie nicht.) Oder dass die Massen an Ausländern in Wien plündern und brandschatzen. (Tun sie nicht.) Ein großer Teil des Landes – vor allem der, der Städte und Migranten nur aus den Medien kennt – glaubt, in einer komplett anderen Realität zu leben.
Ein Trend, der sich bis heute fortsetzt. Zwar haben die anderen Parteien schon aufgeholt, aber die Narrative bleiben. Und wenn es neue Narrative gibt, dass doch alles eigentlich ganz anders ist, als „die da oben“ sagen, werden sie dankbar angenommen: Viren existieren nicht, Putin ist der Gute, und die Partei, die hauptsächlich für Rechtsextremismus und Korruption steht, ist unsere einzige Hoffnung. Alles klar?
Wer da mitliest, stellt sich zwangsläufig die Frage: DIE sind das Volk?
Dadurch entsteht schnell ein falscher Eindruck. Denn wenn nur noch die rechte Anhängerschaft Facebook benutzt, um politisch zu kommentieren, entsteht schnell der Eindruck, dass die FPÖ komplett richtig die Stimmung in der Bevölkerung erkannt hat.
Auch mich erwischt dieser Eindruck teilweise. Wenn ich aus meiner Sicht komplett unkontroverse Artikel schreibe – z.B. darüber, dass die Staaten der Welt aktuell ihre Klimaziele verpassen – und dafür hauptsächlich „Haha“-Emojis und Kommentare ernte, die den Klimawandel leugnen, werde ich sehr pessimistisch. Wenn wir uns dieses Land hauptsächlich mit, sorry, Vollidioten teilen, die nicht einmal den einfachsten wissenschaftlichen Konsens annehmen können, wie soll Veränderung jemals möglich sein?
Gleichzeitig bin ich aber immer noch überzeugt: Die FPÖ hat keine Mehrheit hinter sich. Sie hat nur die lautesten und mühsamsten Fans. Und daran muss man sich manchmal einfach aktiv erinnern, um nicht wahnsinnig zu werden.
Trotzdem traut sich niemand mehr, zu diskutieren.
Wer heute auf Facebook geht, findet einen Mix aus Fake News, FPÖ-nahen Nachrichten und Memes – meist garniert mit schlechten Photoshop-Künsten, Comic Sans und Minions. Es ist eine bizarre Parallelwelt, in der Klima-Aktivisten als „Terroristen“ bezeichnet werden, während sich Leute als Freiheitskämpfer positionieren, die den Eingang von Krankenhäusern blockiert haben.
Ich verstehe jeden, der sich das nicht mehr antut. Es gibt einfach Menschen, die unerreichbare Vollidioten sind, die es immer besser wissen werden. Und die österreichische Seele macht auch ein bisschen aus, dass jeder glaubt, es besser zu wissen und als Einziger die Wahrheit zu kennen. Jeder Stammtisch-Experte glaubt, Viren besser zu verstehen als ungefähr jeder einzelne Wissenschaftler der Welt, weil man ein Video ohne Quellenangabe auf YouTube gesehen hat. Wieso mit solchen Leuten diskutieren?
Wieso mit Menschen diskutieren, die in ihrem Profilbild stolz „Ich bin ungeimpft“ schreiben und so tun, als wären sie Helden? Was glaubt man, zu erreichen, wenn man mit Leuten das Gespräch sucht, die seit Jahren der Meinung sind, eine unterdrückte Minderheit zu sein? All das ist deprimierend – und wenn man etwas verändern will, ist die Energie woanders sicher besser eingesetzt.
Es gibt zwei Arten, damit umzugehen.
Wir warten ab, bis Facebook noch irrelevanter wird.
Wir wagen uns zurück auf das vergiftete Schlachtfeld.
Ich wäre emotional komplett bereit dafür, auf 1. zu setzen. Aber auf absehbare Zeit wird das nicht eintreten. Meta als Konzern verliert zwar immer weiter an Relevanz, weil Mark Zuckerberg einfach komplett das Gespür dafür verloren hat, was User interessiert. Aber solange es Boomer gibt, die keine andere Plattform haben und sich im rechten Online-Loch wohlfühlen, wird Facebook im politischen Österreich relevant bleiben.
Und wenn wir alle auf Instagram, TikTok etc. ausweichen? Okay, das mag wahltaktisch Sinn machen – hol deine Wähler dort ab, wo sie sind, und nicht dort, wo du sie gerne hättest. Trotzdem halte ich es für demokratiepolitisch bedenklich, wenn wir einen der größten Kanäle, die es in Österreich jemals gab, komplett verschenken.
Auch auf Facebook sollte man mit Widerspruch rechnen können, wenn man ausländerfeindliche Inhalte postet. Auch dort sollte man nicht unter seinesgleichen sein, wenn man so tut, als wäre Österreich eine Diktatur, vor der uns nur der autoritärste Politiker der letzten Jahrzehnte retten kann. Und auch dort sollten die Anständigen sich trauen, ihre Meinung zu posten.
Ob das realistisch ist?
Ich fürchte nicht. Auch an mir selbst merke ich, wie mühsam es ist, sich mit Facebook zu beschäftigen. Viele meiner Freunde und Kollegen haben komplett aufgehört, auf der Plattform zu posten oder auch nur reinzuschauen. Warum auch? Der Content besteht nur noch aus Werbung, Fake News und Spam. Und wer ohne Werbegeld einfach mal zwischendurch was schreiben will, hat ohnehin keine Reichweite mehr.
Was ihr auch immer mit diesem Take macht – ob ihr euch jetzt traut, auf Facebook auch dagegenzureden, oder ob ihr das einfach weitererzählt (und z.B. diesen Newsletter teilt):
Ich glaube einfach, dass wir dafür eine Lösung brauchen. Und wenn wir nicht irgendwie eine Allianz der Anständigen zusammenbekommen, die doch wieder auf Facebook postet und entsprechend viel Werbegeld dafür einsetzt, werden wir die rechte Bubble nie platzen lassen. Obwohl das wirklich bitter nötig wäre, um Kickl nicht weiter beim Monopolisieren von Wählergruppen zu unterstützen.
Meine Kickl-Analyse gibt’s dann irgendwann, wenn ich Zeit finde. Neben Materie, Grundbedürfnissen und meinem Führerscheinkurs (ja, ich bin spät dran, ja, ich werd in Wien niemals Autofahren, ja, es ist unnötig, ja, ich werde noch drüber schreiben) passt einfach wenig rein gerade. Aber mich wird in nächster Zeit wohl weiterhin hauptsächlich beschäftigen, was wir der FPÖ entgegensetzen können, ohne einfach ihr Narrativ zu füttern.
Bis zum nächsten Take
Noch mehr Lesestoff
📰 Headlines from Hell: „SPÖ Simmering sperrt Gehsteig, damit Autos besser parken können“. Ganz normaler Alltag in Wien. Und es ist so deprimierend. Städte sind normalerweise dafür bekannt, ein Hort des Fortschrittes zu sein, und die SPÖ Wien dafür, der noch am ehesten funktionierende Teil der Sozialdemokraten zu sein. Wenn aber immer noch Bezirkskaiser meinen, dass ihre wichtigste Klientel die (fossilen) Autofahrer sind, dann gute Nacht, Klimapolitik.
🧠 New Adventures in AI. Nachdem ChatGPT mittlerweile so gut wie jeder kennt, hat jetzt auch Google seinen Konkurrenten vorgestellt. „Bard“ soll das gleiche können, aber mit der Google-Suche verbunden sein: Es ist also eine KI, die umgangssprachlich und einfach formulieren, kreativ sein und Fragen beantworten kann, mit Zugriff auf das gesamte Internet in Echtzeit. Potenzieller Gamechanger. Aber auch potenziell ein Fall für den Google Graveyard.
🚗 Tempo 100 wäre eine gute Idee. Wissenschaftler haben mit „Tempo 100 jetzt“ eine neue Initiative veröffentlicht. Ja, es ist umstritten, ob das den emotionalen Schaden wert ist, auf der Autobahn nicht sooo schnell fahren zu dürfen. Aber die Vorteile, die in der Kampagne der verkehrswissenschaftlichen Institute mit Studien belegt werden, sind schon eindeutig. Weniger Emissionen, weniger Lärm, weniger Unfälle, die weniger schwer ausfallen. Worauf warten wir?