In meinem letzten Urlaub habe ich etwas getan, was ich schon lang nicht mehr versucht habe. Ich habe ein Buch gelesen. Aber kein Sachbuch, wie ich es sonst meistens mache. Sondern einen Roman. Lesen, einfach um des Lesens willen, weil die Handlung spannend ist. Und dabei bin ich bei einem Werk gelandet, was mein Weltbild mehr beeinflusst hat als die meisten Sachbücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.
Gefühlsmäßig wird mich das jetzt länger beschäftigen. Auch, weil ich zeitgleich zufällig auf die Sci Fi Idea Bank von „Not Boring“ gestoßen bin. Packy McCormick sammelt dabei Ideen, die zuerst ihren Ursprung in Science Fiction hatten, bevor sie irgendwann Wirklichkeit wurden. Und Dinge, die noch Vorhersagen sind, aber bald Realität werden könnten.
Mein Key Take-away ist aber fürs erste Folgendes: Science Fiction ist eine spannende Brille, um auf Politik und die Welt zu schauen.
Was sind schon echte Probleme?
In Science-Fiction-Büchern geht es nicht um das, was uns wirklich beschäftigt. Es geht um futuristische Probleme, für die wir massiven (und langen) technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt bräuchten. Sci-Fi hat oft mit Politik zu tun, aber nichts mit Kleinigkeiten wie der österreichischen Innenpolitik.
Das hat auch damit zu tun, dass wesentliche Probleme in Sci-Fi bereits gelöst sind. Für die Grundbedürfnisse ist gesorgt, über die Finanzierung des Gesundheitssystems macht sich auch bei mangelnder Schwerkraft keiner mehr Gedanken, und überhaupt ist die Technik längst so weit, dass sie die meisten unserer Probleme einfach gelöst hat.
Und wenn man einmal diese langfristige Perspektive einnimmt – durch gesellschaftlichen und technischen Fortschritt werden wir uns weiterentwickeln – sieht es wirklich so aus, als gäbe es nichts, was Menschen nicht tun können. Alleine dieses Jahr gab es Durchbrüche in der Alzheimer- und Krebsforschung, durch MRNA-Impfstoffe könnte ein goldenes Zeitalter der Medizin gestartet haben. Wir arbeiten an Problemen, die wir nicht lösen können, aber bei denen wir zumindest wissen, welche Schritte wir setzen müssen.
Das kommt noch zusätzlich zu meinem ganz generell optimistischen Weltbild.
Nämlich dem, dass sich langfristig die besten Ideen durchsetzen. Ja, Demokratien haben gerade eine schwierige Zeit. Aber die Errungenschaften des Liberalismus werden weiterhin nachgefragt, verteidigt und können nur sehr schwer zurückgefahren werden. (Auch, wenn Orbán in Ungarn vormacht, wie das funktioniert.)
Und langfristig wird das wohl auch so sein. Das „Ende der Geschichte“ war vielleicht verfrüht, aber die generelle Erkenntnis, dass sich Kapitalismus gegen Kommunismus, dass sich die Demokratie gegen die Diktatur, dass sich die Freiheit gegen die Unterdrückung durchsetzt. Auch, wenn es momentan wenig Grund für Optimismus zu geben scheint, würde ich nicht ausschließen, dass China und Nordkorea sich einmal öffnen werden. Entweder, weil sich die Systeme mit der Zeit ändern, oder eben weil sie fallen.
Das sind natürlich Annahmen, und man kann sie nur schwer beweisen. Man kann sie aber zumindest nahelegen. Etwa durch den globalen Siegeszug des Kapitalismus mit der gleichzeitigen Ausrottung extremer Armut. Wenn jeder Mensch daran arbeitet, sein eigenes Glück zu suchen – und damit gleichzeitig dafür einzustehen, die Freiheit dazu zu haben –, entwickeln sich die Dinge langfristig in die richtige Richtung. Dieses langfristig ist die Basis jeder Überlegung einer Sci-Fi-Zukunft, die echt geil werden könnte.
Von daher bleibt eigentlich nur noch ein Problem übrig.
Und zwar der Klimawandel. Denn in einem langfristigen Szenario, in dem wir auf keine Deadlines eingehen müssen, bin ich mir sicher: Das kriegen wir hin.
Immerhin stellt gerade die halbe Welt auf alternative Energien um, Photovoltaik und Windkraft boomen wie nie zuvor. Die Technologie in Elektro-Autos wird extrem schnell besser, billiger und ja, auch nachhaltiger, während die allermeisten großen Autokonzerne es jetzt wirklich verstanden haben, dass ihr früheres Lieblingsprodukt bald nicht mehr 1) erlaubt und 2) nachgefragt sein wird. Und dann arbeiten wir noch an Lösungen wie Wasserstoff, Carbon Capture oder E-Fuels, die zwar laut Meinung der meisten Experten nicht die Lösung sein werden, aber einen nischigen Anwendungsbereich ermöglichen.
All das wäre Anlass für grenzenlosen Optimismus – wenn es eben keine Deadlines geben würde. Das 1,5-Grad-Ziel, auf das wir uns erst vor acht Jahren als Welt geeinigt haben, ist mittlerweile tot, im Szenario, dass nur die aktuellen Commitments eingehalten werden, landen wir bei weit über drei Grad mehr. Wie heiß die Erde am Ende meines Lebens wird, ist eine politische Aushandlungssache mit einem Ergebnis von 2–4 Grad mehr.
Und weil es für diese Hitzerekorde und die Kipppunkte eben Deadlines gibt – nicht in Form von Zeit, sondern in Form einer Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre –, können wir uns da, und ich würde sogar sagen fast nur da, eben nicht auf den Fortschritt verlassen.
Die Gefahr ist, die echte Welt für Sci-Fi zu halten.
Gibt es technologische Möglichkeiten gegen den Klimawandel? 100 %. Wir wissen genau, was wir tun müssen: Energie aus Wind, Wasser, Sonne und Atomkraft nutzen und unsere Maschinen entsprechend umstellen. Wird das leicht? Nein. Haben wir die Technologie? Ja.
Das heißt aber nicht, dass wir uns darauf verlassen können, dass das rechtzeitig passiert. Wenn wir an der 3-Grad-Grenze erst den Umstieg geschafft haben, gehen die häufigeren und stärkeren Hochwasser, die zahlreichen Dürren, das Artensterben, das Abschmelzen der Gletscher und der Arktis, die brutalen Stürme und die vermehrten Hitzetoten nicht wieder zurück.
Dann ist es zu spät, und das „neue Normal“ beinhaltet nicht nur ein Klima, das einige Teile des Planeten unbewohnbar macht. Sondern auch eines, das sich durch Kipppunkte selbst weiter aufhitzen könnte. Zum Beispiel, wenn der Permafrost in Russland auftaut.
Obwohl ich durch Science-Fiction total inspiriert bin, muss ich mich also selbst daran erinnern, dass nicht die ganze Welt so offen steht.
Wir mögen zwar alle politischen und technischen Probleme lösen können – und das sind schon großartige Nachrichten –, aber wir haben eben auch eine Zeitbombe zu entschärfen. Und wenn wir das nicht tun, wird es ungemütlich. Komplett unabhängig davon, was in anderen Bereichen passiert.
Auf der anderen Seite ist das immer noch netto optimistisch. Denn ich glaube, wenn wir den Klimawandel einmal „gelöst“ haben – im Sinne von „wir heizen den Planeten nicht weiter auf und finden sogar Möglichkeiten, langfristig CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen“ … dann ist auf einmal wirklich alles möglich.
Zum Schluss also noch ein Gedankenspiel: Welche Probleme sind wirklich unlösbar? Also nicht nur mit „momentan nicht möglich“, sondern wir wissen auch gar nicht, wie wir es lösen können werden, irgendwann in ferner Zukunft? Bis auf physikalische Grundgesetze wie das Erreichen der Lichtgeschwindigkeit habe ich bis jetzt keine gute Antwort gehört. Bis dahin stecken wir beim Klimawandel als letzte große Hürde.
Danach werden wir es wohl auch schaffen, alle Krankheiten auszurotten, länger zu leben, weniger Bullshit-Jobs zu machen und langfristig sogar den Weltraum zu besiedeln.
Erst dann steht uns das Universum wirklich offen. Aber bis dahin müssen wir uns eben noch um ein Problem kümmern. Es könnte unser letztes sein.
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🚗 Warum E-Fuels den Verbrenner nicht retten werden. Ein Erklärstück aus der NZZ, von dem ich mir wünschen würde, Karl Nehammer und Co würden es lesen. Klar, für Schiffe oder Flugzeuge kann man die schon brauchen – aber nichts spricht dafür, dass unsere Autos in Zukunft damit betrieben werden. „Technologieoffenheit“ hin oder her.
🏪 Eine wichtige Durchsage zu Österreich als Wirtschaftsstandort. Während die Innenpolitik sich mit Nebendebatten beschäftigt, sagen große Konzerne ihren Ausbau in Österreich ab. Weil der Standort einfach nicht attraktiv ist. Lukas Sustala, unser neuer politischer Direktor bei NEOS, fragt sich im STANDARD, wie „normal“ dieser Standort-Absturz eigentlich ist.
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🇦🇷 In Argentinien könnte ein Libertärer Präsident werden. Javier Milei ist eine interessante Figur, und der ECONOMIST hat hier einen guten Ausblick über ihn. Ein Kollege, der sich damit wesentlich besser auskennt, beschreibt Milei als „wirtschaftspolitisch libertär, gesellschaftspolitisch in Richtung Bolsonaro“ - also dann doch autoritär. Spannend vor allem, weil Argentinien gerade Neuzugang im Block der BRICS+ ist. Wie sich das wohl ausgehen soll, wenn da ein Libertärer am Tisch sitzt?