Der Mythos vom Anti-Conservative-Bias
Soziale Medien sind nicht "anti-konservativ", sondern pro "basic human decency"
Stellt euch vor, ihr schaut euch ein Fußballspiel an. Ich weiß, das ist kein Fußball-Newsletter, aber spielt kurz mit für die Analogie.
Zwei Teams spielen gegeneinander, und weil beide aus Profis bestehen kennen natürlich beide die Regeln. Trotzdem gibt es von der einen Seite einen Regelverstoß nach der anderen. Es gibt Blutgrätschen, Handspiel, alles was unfair ist. Und als nach zahlreichen roten Karten nur noch sechs Spieler des unfairen Teams am Spielfeld stehen, beschwert es sich lautstark bei den eigenen Fans: Der Schiedsrichter ist gegen uns!
Klingt ziemlich dumm und realitätsfern, oder?
Das sind Rechte und Konservative im Internet.
Die Verschwörungstheorie
Wenn ich “die Rechten” sage, meine ich in vielen Fällen “die Republikaner”. Hier greift die Fußball-Metapher mit den zwei Mannschaften besonders gut. Es gibt Demokraten und Republikaner, und das furchtbare Zweiparteiensystem der USA erlaubt auch nicht realistisch, dass sich das ändert. Und beide spielen das gleiche Spiel, nach den gleichen Regeln - auch, was ihre politische Kommunikation betrifft.
Das Fußballspiel ist in diesem Fall das Internet. Und der Schiedsrichter sind Social Media-Plattformen, die ihre Regeln aufgestellt haben und gegen Verstöße vorgehen müssen. Auf rechten Seiten im englisch- und deutschsprachigen Raum wird immer wieder von “Media Bias” gegen konservative und rechte Politiker gesprochen. Der Mythos lautet, dass Facebook, Twitter und Co. fremdgesteuert werden, wahlweise von den Illuminaten, der Regierung, Kulturmarxisten oder “den Linken” (was bis zu Sebastian Kurz gehen kann, je nach Wahnsinnigkeitsgrad des Mediums).
Existiert der Bias wirklich?
Dass Media Bias 1) existiert und 2) ein Problem sein kann, ist natürlich gegeben. Ich glaube ja nicht an “objektiven” Journalismus, sondern nur an Journalisten, die ihre persönliche Meinung nicht zu sehr in ihre Arbeit einbringen. Aber jeder, der in und mit Medien arbeitet, hat eine Meinung, die automatisch alles prägt, was man tut. Die Frage ist: Gilt das auch für soziale Medien? Denn gerade ein Medium, das nicht selbst publiziert, sondern nur Inhalten anderer eine Plattform gibt, sollte doch gemeinsame Spielregeln haben. Bei Milliarden von Social-Media-Nutzern weltweit wäre Media Bias ein demokratiepolitisches Problem - und zumindest Amerikaner glauben, dass es existiert.
Von Seite der Tech-Unternehmen ist die Geschichte klar: Sie bemühen sich, niemanden zu bevorzugen, sind sich de facto aber bewusst, dass gerade engagement-getriebene Algorithmen oder konservativen Content bevorzugen. Vor der letzten Änderung am News Feed war Facebook zum Beispiel bewusst, dass diese tendenziell liberalen Medien schaden und konservativen nutzen würde - alles kein Problem, solange die Profiteure an der Macht sind. Und Facebook schärft auch gerne nochmal nach, wenn die Kritik zu laut wird.
Damit beschäftigt man sich aber nicht nur in den Policy-Abteilungen der Social-Media-Unternehmen damit, sondern auch in der Wissenschaft. Aber auch hier zeigt sich: Weder in klassischen Medien - also abseits von Social Media - noch in digitalen Medien werden Republikaner und Konsorten benachteiligt.
Aber wenn wir das Spiel schon spielen wollen, können wir uns ja auch mit anecdotal evidence befassen. Und da sehen wir, dass Monat für Monat rechte Medien unter den best-performenden Websites sind - im August 2020 war BREITBART zum Beispiel vor der NEW YORK TIMES.
Anti-konservativ? Eher pro-regelkonform.
Es ist also einfach ein Mythos, dass Rechte auf Social Media benachteiligt werden. Benachteiligt werden einfach User, die sich nicht an die Regeln halten. Dass Hate Speech, Beleidigungen und potentiell tödliche Falschmeldungen zum Geschäft von Rechtsparteien gehören, soll nicht das Problem von Facebook sein - könnte es aber sehr wohl werden. Denn Trump soll schon lange an einer Executive Order arbeiten, die Tech-Konzerne verpflichtet, das nicht-existente Problem zu lösen. Heißt: Konservative zu bevorzugen und/oder die Regeln zu lockern.
Im Beispiel der Fußball-Metapher hieße das, dass das Regelverstoß-Team aus direkten Vorgesetzten des Schiedsrichters besteht - denn die US-Regierung kann US-Konzerne jederzeit regulieren. Das könnte dazu führen, dass eine rote Karte eben nur für ein Team ausgesprochen wird, wenn es gegen die Regeln verstößt. Oder dass es verschiedene Regeln gibt je nachdem, in welchem Team man spielt.
Bleibt zu hoffen, dass Joe Biden die Präsidentschaftswahl gewinnt und dass die Republikaner an ihren Fehlern arbeiten müssen. Denn eigentlich wäre die Lösung gegen den erfundenen anti-konservativen Bias ganz einfach: Haltet euch an die Regeln und zeigt basic human decency. Aber für eine der zwei Seiten ist das zu viel verlangt.
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