Die digitale Zweiklassengesellschaft
In Österreich bietet man schlechte Lösungen für Probleme, die niemand hat
Sowohl im Journalismus als auch in der PR habe ich immer wieder etwas beobachtet, das einfach keinen Sinn ergeben hat: Die unglaubliche Anzahl an Digitalprojekten aus dem öffentlichen Bereich, die sofort an der Wirklichkeit scheitern.
Das aktuellste Beispiel dafür ist das Kaufhaus Österreich, eine als Amazon-Klon geplante Plattform des Digitalministeriums. Die Seite, die einen hohen sechsstelligen Betrag gekostet hat, unterscheidet sich nur unwesentlich von Amazon - zum Beispiel dadurch, dass man nicht nach Produkten suchen kann. Das hätte aber auch wirklich niemand mitdenken können bei der Agentur, die Ministerin Schramböck beraten hat. Unwichtige Nischenfunktion.
Konkret ist mir das Kaufhaus Österreich aber völlig egal. Nicht, weil mir egal ist, wofür Steuergeld verwendet wird, sondern weil das Grundproblem ein anderes ist: Es hat niemand nach einem österreichischen Amazon gefragt.
Eine Lösung ohne Problem
Ich wüsste als Konsument nicht, was ich von einem österreichischen Amazon habe. Österreicher können ihre Produkte auch auf Amazon verkaufen, wo ich bereits ein Konto habe. Dort genieße ich den besten Kundenservice und schnelle Lieferzeiten, ich muss mich um nichts kümmern. Warum also überhaupt umsteigen, wenn ich bereits einen Anbieter habe, der sich gut darum kümmert?
Aber gehen wir davon aus, dass ich gerne die heimische Wirtschaft unterstützen will und das über Amazon nicht kann. Was falsch ist, aber so scheinen viele zu denken und das ist auch der Grund, warum es dieses Projekt gibt. Dann gibt es eine zweite Seite, die mir dabei hilft: Google. Dort kann man nämlich sogar nach Produkten suchen und findet Webshops in der Umgebung, die das anbieten, was ich suche. Aber das ist immer noch “Amerika”.
Wenn ich keinen der “Silicon-Valley-Giganten” unterstützen will, gibt’s immer noch Shöpping. Ja, es ist von der Post und ich weiß, es gibt Probleme mit der Plattform, aber es existiert. Warum es also von öffentlicher Seite noch eine Stelle braucht, bei der man dezidiert nur bei Österreichern kaufen kann, ist mir ein Rätsel. Der normale Internet-User hat bereits alles, was er dafür braucht.
Der Digital Divide ist überall
Viel eher ist das Problem, dass viele Bereiche unseres Lebens sich noch immer nicht mit dem Internet arrangiert haben. Ich habe schon öfter - auch beruflich - mit Leuten gesprochen, die sich “jetzt nicht mehr damit beschäftigen wollen”, aber in zehn Jahren in Pension gehen. Zehn Jahre! Und danach wahrscheinlich noch 20-30 gute Lebensjahre! Menschen, die vielleicht gerade die zweite Hälfte ihres Lebens beginnen, stehen dem Internet mit “Das zahlt sich nicht mehr aus” gegenüber und wundern sich, dass Menschen nicht bei ihnen kaufen, weil sie keinen Onlineshop haben.
Die echte Innovation findet woanders statt. Bei den zahlreichen Unternehmern, die das Internet nutzen, einen eigenen Webshop machen, dazu noch ihre Produkte auf Amazon anbieten und vielleicht jetzt schon auf Social Commerce von Facebook setzen. Die müssen sich keine Sorgen um ihre Umsätze machen. Und denen kann egal sein, ob man sie auf Amazon, Shöpping, Verlinkung über das Kaufhaus Österreich oder den eigenen Webshop in der Google-Suche findet.
Und das findet nicht nur im Handel statt. Leute, die vor 40 Jahren in klassischen Bürojobs angefangen haben, sitzen heute am gleichen Arbeitsplatz und wissen nicht, wie sie eine PDF-Datei öffnen. Die treusten Kollegen seit Jahrzehnten verdienen gut, aber brauchen jüngere Mitarbeiter, um ihnen etwas auszudrucken.
Es fehlt in so vielen Bereichen an Digitalkompetenz, weil mehrere Jahrgänge genau an diesem Punkt alt geworden sind, in dem man dem Internet langsam nicht mehr ausweichen kann. Man muss das niemandem vorwerfen. Vielleicht geht es mir auch so, wenn ich mit 60 im Büro sitze und als einziger Mitarbeiter nicht über meinen Chip im Gehirn kommuniziert. Aber es ist ein wirtschaftliches Strukturproblem.
Zwei, oder eigentlich drei Klassen
Diese Gruppen bilden in Österreich mehr und mehr eine Zweiklassengesellschaft. Die einen haben das Internet verstanden, lösen damit Probleme und bringen ihr Unternehmen damit voran. Die anderen denken sich, sie kommen auch die nächsten 40 Jahre aus, ohne mit dem Medium zu interagieren, das unser Leben immer mehr durchdringt. Und einige andere aber tun so, als hätten sie das Internet verstanden. Und bieten schlechte Lösungen an für Probleme, die keiner hat.
Und so kommt es am Ende, dass Minister über 50 mit ihren Beratern über 40 bei einer mittelgut besuchten Veranstaltung stehen und große Reden über die Digitalisierung halten, für die sie kein Konzept anzubieten haben. Dort stellen sie Plattformen vor, die am freien Markt fünfstellige Beträge kosten würden, die aber um hohe sechsstellige Beträge von Steuergeld bezahlt wurden. Und die Probleme lösen sollen, die niemand hat. Danach schütteln sich alle die Hände, klopfen sich auf die Schulter und 15 Personen mehr haben einen Preis, den sie in ihrer beruflichen Laufbahn herzeigen können. Aber wer hat am Ende der Mehrwert? Wahrscheinlich niemand.
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