Ein Newsletter-Autor, den ich gerne lese, eröffnet Statements gerne mit “Falls sich jemand fragt”. In diesem Sinne: Falls sich jemand fragt, wie die nächste relevante Wählergruppe der FPÖ so aussieht - willkommen bei Schetts Update. Die Antwort ist: Ungefähr so.
Wer gestern die Puls 4-Sommergespräche verfolgt hat, konnte verfolgen, wie die FPÖ die gleiche Strategie benutzt, die sie die im letzten Jahrzehnt so erfolgreich gemacht: Das Zwinkern zu den Ausgestoßenen.
Die FPÖ hat ja ein Problem. Also, eigentlich. Sie hat jahrelang das Narrativ der bösen Ausländer geschürt, der furchtbaren Flüchtlinge, die in der Großstadt plündern und brandschatzen. Auch wenn das gar nicht passiert ist, gab es nach jahrelanger Social Media-Propaganda mit rechten Medien wie Unzensuriert, Wochenblick oder der Facebook-Seite von HC Strache irgendwann genug Leute, die das geglaubt haben und deshalb die FPÖ wählten.
Und denen ist das Thema auf einmal scheißegal.
Wie man die Verrückten-Bubble kapert
Das heißt, die FPÖ muss sich neue Wähler suchen. Zumindest theoretisch. Es kann schon sein, dass uns das Thema Ausländer nach Corona (wann auch immer “nach Corona” wirklich sein kann) wieder verstärkt beschäftigen wird - aber zumindest für absehbare Zeit sieht es nicht danach aus, als wären die Türken in der U-Bahn, die nicht Deutsch sprechen, das größte unserer Probleme. Was also tun?
Ich hab schon mal was Längeres zu der Thematik geschrieben, wie die FPÖ Social Media als Waffe benutzt hat, um den Diskurs und das Land zu verändern und so an die Macht zu kommen. Und ich glaube, die selbe Strategie verwendet sie jetzt wieder. Mit dem Unterschied, dass “Inländerfreundlichkeit”, also Ausländerfeindlichkeit, mittlerweile einfach nicht mehr so geächtet wie früher ist, weil wir aufgehört haben, den unangenehmen, störenden Rassisten zu widersprechen.
Also gibt es eine neue Zielgruppe der Ausgestoßenen, die sich als “schweigende Mehrheit” sehen wollen und zu Multiplikatoren gemacht werden können: Die Verschwörungs-Bubble. Und alles, was es für diese Strategie braucht, sind zwei einfache Schritte:
Verbreite selbst Verschwörungstheorien - aber vorsichtig. Sprich nicht davon, dass Bill Gates und alle zur Bevölkerungskontrolle mit Gift vollspritzen will. Das würde auffallen, und viele selbsternannte “skeptische Bürger” sind noch nicht so tief in der Verschwörungsblase, um das zu glauben. Sprich dich lieber gegen die “Impfpflicht” aus, auch, wenn sie niemand gefordert hat. Du musst damit nicht Bill Gates attackieren, du kannst genauso gut Sebastian Kurz meinen. Und wenn dich jemand fragt, dann findest du sicher irgendeinen, der die Idee wirklich hatte, “nur so als Beispiel”.
Verteidige jene, die die Theorie weiterverbreiten. Gestern bei Puls 4 sprach Parteichef Hofer wiederholt von “Meinungsfreiheit”. Er werde den Bürgern “nichts verbieten”, und “was soll er denn machen” - persönlich anklopfen? Nein, aber das behauptet auch keiner. Die legitime Frage ist, wieso man sich gegen etwas ausspricht, das niemand fordert - und das weiß Corinna Milborn auch, darum fragt sie ja. Aber wenn der Verweis auf die diffuse “Meinungsfreiheit” irgendwann genug Zeit einnimmt, ist das Thema irgendwann auch durch.
Diese Strategie hat die FPÖ schon immer beherrscht. Haider war mit seinen Aussagen zur Beschäftigungspolitik im Dritten Reich noch etwas unvorsichtiger, aber Strache schaffte es immer, den richtig grausigen Leuten zuzuzwinkern. Offiziell ist man “inländerfreundlich” und sagt “Österreich zuerst” - aber die echten Nazis, denen diese Parolen nie radikal genug sein dürften, wussten immer, wen sie wählen mussten. Dafür gab es oft genug “umstrittene” Äußerungen in die eigene Richtung, für die sich die FPÖ nicht entschuldigt hat. Diese sogenannten Einzelfälle waren kein Zufall. Irgendwann weiß dann auch der letzte Trottel - und in diesem Fall nicht nur metaphorisch gemeint -, wo er daheim ist.
Impfgegner sind die neuen Ausländerfeinde
Die FPÖ hat schon in der Vergangenheit an Verschwörungsfantasien angestreift. Wenn sie in diese in ihrer Kommunikationsstrategie weiter bedient, ist das kein Versehen oder kein Zeichen von mangelnder Intelligenz, sondern ein Gamble: Schaffen wir es, die Spinner-Bubble zur gesellschaftlich relevanten Zielgruppe aufzubauen?
Und wenn das Playbook von 2011-2019 noch funktioniert, lautet die Antwort vermutlich Ja. Schon jetzt sind Verschwörungstheorien nicht nur beliebt und verbreitet, sondern die etablierte Medienlandschaft findet nach wie vor keinen Gegenentwurf zu WhatsApp Virals und Telegram-Gruppen. Man muss diese Leute nicht mehr suchen - man muss ihnen nur zuzwinkern und stumm aussagen: “Wir sind bei dir, wir dürfens nur nicht laut sagen”.
Vielleicht werden die “skeptischen Denker” die neuen “besorgten Bürger”, und der Verweis auf die Meinungsfreiheit nach einer absurden Aussage wird der neue “bedauerliche Einzelfall”. Mit dem kleinen Manko, dass die bedauerlichen Einzelfälle wahrscheinlich weiter passieren werden. So ein Zufall aber auch.
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