Man könnte ja schadenfroh sein, wenn es nicht um ernste Situationen ginge: Wir können konservative bis rechte Parteien dabei beobachten, wie sie die Konsequenzen ihres eigenen Handelns ausbaden und Flügelkämpfe führen, die mehr und mehr unvermeidbar werden.
Fangen wir in den USA an.
Wo Donald Trump ja bereits seinen Antritt zur nächsten Präsidentschaftswahl verkündet hat.
Eigentlich sollte das ein No-Brainer sein - immerhin hat er 2016 gewonnen, 2020 im Pandemie-Winter nur knapp verloren, und sorgt nach wie vor für die Mobilisierung in vielen Wählerschichten, in denen andere Kandidat:innen nur schwach abschneiden. Aber andererseits ist es auch ein No-Brainer, ihn nicht aufzustellen, weil er seit seinem Putschversuch wie kein anderer für die extreme Rechte steht, die auch viele Menschen zurecht abschreckt.
Das war auch 2016 ähnlich. Damals war Trump der radikale Kandidat, der nichts von Politik versteht und für viele Menschen unwählbar ist - electability ist ja eines der wichtigsten Schlagwörter in parteiinternen Vorwahlen. Aber nach und nach hat er jeden seiner Gegenkandidaten rausgemobbt. Was leicht war, weil es so viele waren.
Aber jetzt gibt es eine Alternative zu Trump.
Ron DeSantis genießt hohe Beliebtheitswerte. Der Gouverneur von Florida hat es geschafft, den früheren Swing State zu einer relativ unumstrittenen republikanischen Hochburg zu machen. Für viele ist er eine perfekte Mischung aus Trump-Populismus - Elitenfeindlichkeit und triggering the libs - und republikanischem politischen Wissen.
Genau das fehlt Trump. Immerhin zweifelt er nach wie vor das Resultat der Präsidentschaftswahl 2020 an - auch, wenn alle in seiner Partei mittlerweile gecheckt haben, dass dieser Zug abgefahren ist. Er ist eine unguided missile, die viele loswerden wollen. Das Kalkül: Ein DeSantis hätte die gleichen Argumente wie Trump, aber ohne die wahnsinnigen Eskapaden und (vielleicht) ohne vergleichbare Angriffe auf die Demokratie.
Das will Trump natürlich nicht auf sich sitzen lassen.
Für Republikaner:innen bedeutet das eine schwierige Ausgangslage: Man muss sich einerseits von den wahnsinnigen Episoden der Trumpisten distanzieren, aber andererseits auch nichts Böses über ihn sagen. Man kritisiert die Wortwahl, den Stil, man spricht von anderen Prioritäten und man widerspricht höflich - aber sachte genug, um nicht unter die Räder zu fallen, sollte Trump wiedergewählt werden.
Und dann wäre da noch Kanye West.
Denn nicht nur auf Trump trifft diese Dynamik zu: Immer dann, wenn es wirklich unangenehm wird, wenn die Demokratie offen hinterfragt wird, wenn es rassistisch oder sonst wie unausstehlich wird, versteckt sich das rechte Lager hinter Phrasen. Es will die Stimmen dieser Leute, aber nicht mit ihnen assoziiert werden. Darum sind diese Szenarien angeblich nie realistisch, nie ernst gemeint - und überhaupt, es gehe doch um die “Meinungsfreiheit”.
Rechte Provokateure, Talkshow-Hosts und andere Influencer lieben diese Maskerade. Unter dem Deckmantel des Widerstands gegen eine höhere Macht - sei es Cancel Culture, die politische Korrektheit, der Kulturmarxismus oder der “linke Mainstream” - interviewen sie sich gegenseitig, um sich in ihren “mutigen” oder “kritischen” Meinungen recht zu geben. Und dabei gleichzeitig zu versichern, dass dahinter nichts Problematisches steckt.
Kanye West - der kunstvolle Rapper turned Nazi - verunmöglicht diese Strategie. Den Subtext, den wir bei vielen Rechten nur vermuten können, spricht der Trump-Sympathisant in einem Interview mit dem Verschwörungssender InfoWars laut aus. Er mag keine Juden, aber er mag Hitler. Da gibt es keine Möglichkeit mehr, zu relativieren - und das, was immer nur mitgemeint wurde, kommt ungefiltert raus.
Die Wendeversuche der Rechten sind dafür sehr unterhaltsam. Sie sind nicht zu beneiden - wie tut man so, als wäre “I like Hitler” kein nationalsozialistisches Statement? Die Reframing-Versuche gehen in die Richtung, es gehe nur darum, dass er “auch gute Dinge getan hätte”, das kennen wir von unseren “Er hat die Autobahn gebaut”-Einwänden oder der “ordentlichen Beschäftigungspolitik”, die Jörg Haider im Dritten Reich sah.
Auch Kanye ist für die Republikaner eher schmerzhaft. Denn nachdem sich Trump sowohl mit ihm, als auch mit dem white nationalist Nick Fuentes getroffen hat, hatten nicht alle den Mut, das zu kritisieren. Und auch als Trump kürzlich meinte, man könnte die Verfassung doch einfach aufkündigen, wurde schnell relativiert.
Eine Analogie dazu können wir in Österreich beobachten.
Auch hier muss sich das konservative Lager, bzw. die ÖVP, entscheiden: Will sie den verfehlten Kurs von Sebastian Kurz behalten, der mittlerweile besser durch gescheiterte Reformen und Korruptionsvorwürfe in Erinnerung bleibt? Oder will sie mit diesem Image aufräumen, Fehler eingestehen und sich distanzieren?
Auch dieser Flügelkampf wird relativ offen ausgetragen - auch, wenn ich fairerweise natürlich dazusagen muss, dass er in der Heftigkeit weit weg ist vom US-Flügelkampf, in dem es um Nazis geht. Trotzdem muss man sich hier wie dort entscheiden: Schluss mit dem alten System? Oder all-in auf eine Strategie, die schon mal gescheitert ist?
Und wenn man sich die ÖVP anschaut, ist die Antwort noch deutlicher als bei den Republikanern. Der Einzige, der aus der Partei ausgeschlossen wurde, ist Thomas Schmid, dafür hat einer der (mutmaßlichen, eh) Drahtzieher diverser Inseraten- und Umfragegeschäfte wieder eine Führungsposition in der Kommunikation.
Dazu kommt noch, dass die Volkspartei auch keine Antwort darauf hat, wie sie mit schlechten Umfragewerten umgehen soll. Da in jüngster Zeit eben nur einer Wahlen gewonnen hat, geht auch nur sein Weg: Beeinflussung von Medien, sinnlose Show-Politik auf EU-Ebene, “Irgendwas gegen Ausländer” und nebenbei diverse sinnvolle Reformen blockieren.
Ob wir über Republikaner oder die ÖVP reden:
Es wäre wünschenswert, dass sich eine konservative Partei mit einer langen, anständigen Geschichte endlich traut, mit der unrühmlichen jüngeren Vergangenheit abzuschließen. In beiden Parteien gibt es mehrere Flügel, die ein inhaltliches Programm tragen könnten, das nicht auf Demokratiefeindlichkeit (USA) oder Korruption und Stillstand (Österreich) beruht.
Man müsste es halt einfach mal machen.
Noch mehr Lesestoff
📺 Must-Read-Recherchen zum ORF in der Presse: Die ÖVP Niederösterreich behandelt den Landes-ORF als ihr Eigentum. In mehreren Artikeln zeigt die “Presse”, dass nicht nach journalistischen Kriterien berichtet wird. ÖVP-Politiker:innen bekommen die Chance zum O-Ton eingeräumt - wenn nicht, interveniert Landesdirektor Ziegler schon mal selbst dazu:
Ziegler sagt zur „Presse“: „Wunschpartner für OTs gibt es bei uns nicht.“ Doch Mails zwischen ihm und den ÖVP-Pressebüros beweisen Gegenteiliges: Darin deponieren die Pressesprecher bei Ziegler Wunschthemen und -partner für Interviews. Am Ende wird serviert, was die ÖVP bestellt. Martin Brandl, Leiter der Pressearbeit im Büro von Mikl-Leitner, schreibt etwa im Februar 2021 an Ziegler vor einem Ehrenamt-Onlinegipfel: „Wie gestern vorangekündigt. Ideal wäre ein Kameraschwenk und gleich darauf O-Ton-Möglichkeit mit Chefin im Büro. Wir haben folgende Teilnehmer bereits kontaktiert.“
Gut, dass das vor der Niederösterreich-Wahl aufkommt. Ich hoffe, diese offensichtliche Beeinflussung des ORF, den wir alle finanzieren, rächt sich am Wahltag für die ÖVP und macht stößt interne Reformen an.
📰 Ein Interview mit Karl Schwarzenberg, einem beeindruckenden Liberalen mit einer beeindruckenden Geschichte. Letzte Woche habe ich ihn bei einer NEOS-Veranstaltung gesehen und nach dem Event noch gefragt, was er als die größte Herausforderung für die Zukunft sieht - meine Standardfrage an Personen mit langem, bewegten politischen Leben. Das mit dem Klima kriegen wir nicht mehr hin, meint er. Aber dieses Interview in der Kleinen Zeitung ist doch wesentlich positiver.
Dieses Zitat gefällt mir besonders:
Ja, jede demokratische Partei braucht nach einiger Zeit an der Macht den Wechsel in die Opposition, damit sie wieder zu sich kommt. Alle begabteren Parteifunktionäre enden in Staatsfunktionen. Der Partei bleibt der Rest. Das ist der Untergang, egal, ob das bei den Sozis war oder bei der ÖVP. Das ist immer dasselbe Theater, bei uns, aber auch in Deutschland.