Die grüne Win Condition
Das Klimaticket ist erst der Anfang - jetzt müssen konsequent die Öffis ausgebaut werden
Es ist also endlich passiert: Das 1-2-3-Klimaticket ist da! Oder zumindest ein Klimaticket. Vom Zweier-Ticket, also das Ticket für zwei Bundesländer, ist nicht mehr viel übrig, das Einser-Ticket für freie Fahrt in einem Bundesland kostet nur in Wien und Vorarlberg wirklich 365 € im Jahr. Aber zumindest das “Dreier-Ticket” - für 3 € am Tag alle Öffis in ganz Österreich - ist endlich finalisiert!
Nachdem das jetzt auch inklusive Ostregion möglich ist, werde ich mir das Ticket ziemlich sicher holen. Meine persönliche Rechnung ist: Jahresticket Wien (365 €) + eine Fahrt im Monat mit den ÖBB nach Salzburg, Graz, Villach oder vergleichbar (600 €, weil 50 € Hin/Zurück mit Vorteilscard) + Fahrten ins Umland (ca. 100-200 € im Jahr). Das Ticket schafft aber auch den Anreiz, mehr zu fahren: Wenn ich also am Freitag nach Salzburg fahre, aber am Samstag schon wieder heimfahre, weil ich am Sonntag wo sein muss, kann ich diesmal vorbeikommen, anstatt abzusagen. Und auch die zweite Graz-Fahrt im Jahr, einmal wieder in die Therma Laa - das sind Punkte, die ich jetzt nicht mehr als Kosten kalkulieren muss, sondern die einfach gehen. Es fühlt sich wie Freiheit ein. Love it!
Und das mag wie ein normaler Punkt aus dem Regierungsprogramm wirken, ist aber eine große Sache. Gerade im öffentlichen Verkehr gibt es unzählige Player und Interessenslagen. Leonore Gewessler muss mit viel Kritik kämpfen - und nein, die kommt nicht immer nur aus der seriösen Ecke -, aber dass sie diese Maßnahme so schnell durchgebracht hat, ist schon beachtlich. Immerhin ist die Legislaturperiode (planmäßig) noch nicht mal zur Hälfte vorbei.
Der nächste Schritt heißt Öffi-Ausbau
Aber nur, weil es das Ticket jetzt gibt, ist die Arbeit nicht getan. Die größte Herausforderung wird sein, dadurch genug Menschen zum Umstieg zu überreden. Wenn sich Wiener Innenstadtbewohner wie ich das Ticket kaufen, das sie vorher schon in Form einzelner ÖBB-Tickets und Jahreskarte der Wiener Linien hatten, ist das sicher nett, aber nicht Sinn der Sache. Das Ticket soll einen Anreiz schaffen, das teure Auto gegen die günstigen Öffis einzutauschen, um das Klima zu schützen und einen wichtigen Schritt in der Mobilitätswende zu gehen.
Die Frage ist: Wer kauft sich ein Ticket für “alle Öffis”, wenn alle Öffis in der näheren Umgebung heißt, dass man mit einem Bus fahren kann, der 2x am Tag kommt?
Am Land in Oberösterreich, Salzburg und Tirol wird man ausgelacht, wenn man den Leuten rät, auf “die Öffis” umzusteigen. In viele Dörfer fährt kein Zug mehr, Busse kommen fahren nicht mal im Stundentakt, die Haltestelle ist 20 Minuten Fußmarsch entfernt und Straßen- und U-Bahnen kennt man nur aus dem Fernsehen oder aus der Wienwoche. Wenn die Öffis eine beschissene Option sind, braucht man kein Klimaticket. Vor allem, wenn eh schon jeder ein Auto hat. Und es gibt genug Orte in Österreich, in denen es gar keine Öffis gibt.
Der nächste Schritt in der Mobilitätswende muss also der konsequente Ausbau der Öffis sein. Fürs erste bedeutet das, dass auch kleinere Städte angemessene Öffis kriegen müssen - die Situation in Salzburg war für mich als Schüler ein Horror, aber dürfte vergleichsweise noch in Ordnung sein, wenn man sich noch kleinere Städte anschaut. So haben zumindest die Stadtbewohner einen Anreiz, auf das Klimaticket umzusteigen, und gleichzeitig wird der Verkehr vor Ort reduziert. (Was auch in Salzburg nicht schaden könnte.)
Langfristig muss die Politik wirklich aber an den großen Wurf denken. Es kann nicht sein, dass wir öffentliche Verkehrsmittel als Stadtthema und Weststrecke sehen und den Rest der Zeit nur Straßen bauen. Nur, weil es bisher keine g’scheite Verbindung ins Waldviertel gibt, heißt das nicht, dass das für immer so bleiben muss. Die Alternative wäre, vor jedes zersiedelte Häuschen in Österreich eine E-Ladestation zu bauen - was auch ein Schritt in die richtige Richtung wäre und forciert werden kann, aber das alleine wird nicht reichen. (Auch, weil jahresübergreifend genug grüner Strom zur Verfügung stehen muss, um diese zu betreiben.)
Die einzige Chance für die Grünen
Die Frage ist: Wer kümmert sich darum? Die ÖVP und FPÖ sind ganz eindeutig die Parteien der Autofahrer:innen und einige ihrer Vorfeldorganisationen bremsen beim Klimaschutz, wo es nur geht. Auf sie können wir uns also nicht verlassen. Die SPÖ spricht zwar vom Klimaschutz, aber in ihren letzten Regierungsbeteiligungen war das eher ein Lippenbekenntnis als Programm. Bleiben NEOS und die Grünen - und damit fürs erste nur eine Regierungspartei.
Es gibt aber auch gute Nachrichten: Für die Grünen ist genau dieser Öffi-Ausbau die einzige Chance, am Leben zu bleiben. Soll die ÖVP in Sachen Zuwanderung doch machen, was sie will - am Ende des Tages zählt für die Wähler:innen der Grünen, ob es genug Klimaschutz gab. Das Klimaticket sollte als Leuchtturm-Projekt zumindest herzeigbar sein, wenn es zur nächsten Wahl kommt, aber das allein wird nicht reichen. Erst, wenn die Leute in der Peripherie und kleinen Städten merken, dass sie - wenn sie wollen - jetzt auch ohne Auto durchkommen, werden die Grünen dazugewinnen und die Möglichkeit haben, sich längerfristig als 15-%-Plus-Partei zu halten. Wenn man aber nur ein Öffi-Ticket für die großen Städte hat, während der Rest beim Auto bleiben muss, kann das nicht reichen.
Das Gute ist, dass auch in dieser Legislaturperiode noch Zeit ist. Gewessler sollte im nächsten Schritt darüber nachdenken, wo man jetzt schnell und effizient den öffentlichen Verkehr ausbauen kann, um noch mehr Leute zum Klimaticket zu bewegen und von ihrer Abhängigkeit vom Auto zu befreien. Ich bin mir sicher, dass sie das auch schon tut - die Frage ist nur, ob am Ende auch was herauskommt. Denn irgendwann können wir uns ganze Gegenden mit Abhängigkeit von Verbrennern nicht mehr leisten.
Vorsichtig optimistisch,