Die letzten Tage spielte sich auf Twitter eine interessante Debatte ab. Auslöser war ein Artikel eines Parteimediums, in dem die Seriosität des FALTERs angegriffen wird und in der das Medium, inklusive Chefredakteur Florian Klenk, als Teil der Opposition bezeichnet werden.
Das hat eine Diskussion über Parteimedien, Unabhängigkeit und objektiven Journalismus hervorgerufen, an der sich auch Armin Wolf beteiligt hat - hier nur ein Tweet aus dem lesenswerten Twitter-Thread. (Lest nicht nur Wolf, sondern auch die Antworten. Einfach draufklicken.)
Dabei ist die Renaissance der Parteimedien ein relativ neuer Trend in einer Zeit, in der Journalismus in Österreich generell im Umbruch ist. Wie viel Bewegung in die Branche kommt, zeigt einfach eine kurze Liste der letzten angekündigten, oder bereits gestarteten, Medienprojekte. Full Disclosure: Da ich mit einigen Leuten bei diesen Projekten schon zu tun hatte und so gut wie immer biased bin, kommt hier mal möglichst keine Wertung rein.
Stefan Apfl, der frühere DATUM-Herausgeber, arbeitet mit dem Projekt Hashtag an einem digitalen Medienprojekt, auf das ich besonders gespannt bin.
Melisa Erkurt, die u. a. durch ORF, DAS BIBER, den FALTER und ihr Buch “Generation Haram” bekannt ist, hat Die Chefredaktion gegründet, die Journalismus auf Instagram macht.
Richard Schmitt, der frühere Online-Chef von KRONE und OE24 (den Strache im Ibiza-Video gelobt haben soll), ist Chefredakteur des neuen Boulevardmediums exxpress.at.
Claus Reitan, der frühere Chefredakteur der TIROLER TAGESZEITUNG, ist Gründer des neuen ÖVP-Parteimediums Zur Sache, das vom Design her sehr stark an den Blog des SPÖ-Parlamentsklubs Kontrast.at erinnert.
Dazu kommt demnächst mit PRAGMATICUS ein neues Medium aus dem Hause Mateschitz, das PROFIL arbeitet an einem “innovativen, digitalen Faktenchecker-Projekt” und auch der angeblich reingewaschene Heinz-Christian Strache will ein neues Medium gründen. (Wie es sich von den 88 anderen FPÖ-Blogs unterscheiden will, wird interessant zu beobachten.)
Ziemlich viel los also in der Medienlandschaft. Das Problem ist allerdings, dass Medien leicht unter Generalverdacht kommen, in irgendeiner Form “parteiisch” zu sein. Ein Vorwurf, den ich besonders seit der Nationalratswahl 2017 immer öfter sehe - auch, weil ich zu der Zeit selbst bei ADDENDUM gearbeitet habe. Auch uns wurde immer wieder vorgeworfen, eine politische Schlagseite zu haben. Teilweise, bevor wir überhaupt etwas veröffentlicht hatten. (Ja, ich heb mir Hater-Tweets auf, deal with it.)
Wer ist hier parteiisch?
Die Frage danach, was Journalismus ist und was nicht, kann man theoretisch ganz leicht im Ausschlussprinzip beantworten: Wenn es PR ist, ist es kein Journalismus, und umgekehrt. De facto wird es immer schwieriger, diese Grenzen zu ziehen. Medien greifen am Werbemarkt auch zu Praktiken, die leicht als “versteckte Werbung” gelten, und der Unterschied zwischen Advertorial und redaktionellem Beitrag ist bei mancher Redaktion nicht einfach zu erkennen. “Wer vermag schon zu sagen, was Fakt ist und was Meinung?”
Versuchen wir es trotzdem mal mit einer modellhaften Einteilung von Medien, um uns einer Antwort anzunähern.
Klassische Medien: Das sind die Medienunternehmen, die wir gewohnt sind: Meist privat geführte Zeitungen, Sender oder Plattform-Betreiber, deren Geschäft irgendwo zwischen Information (“Qualitätsmedium”) und Unterhaltung (“Boulevard”) angesiedelt ist und die auf dem Leser- und Werbemarkt Geld verdienen. Sie stehen Politikern erstmal kritisch gegenüber und ordnen das politische Tagesgeschehen ein.
Klassische Beispiele: STANDARD. KURIER. PRESSE. Aber auch PULS4 und PULS24. Und vergessen wir nicht auf Radiosender. Der ORF ist in seiner Eigentümerstruktur doch etwas komplexer - ja, es gibt politische Interventionsversuche, aber ja, es gibt auch öffentlich-rechtliche Qualitätsstandards -, aber nehmen wir ihn einfach mal in die Liste. Das sind also “Medien”. Und zwar unparteiische.Parteimedien: Darunter fielen lange nur FPÖ-Medien wie “Unzensuriert” oder der “Wochenblick”, die sich zwar hauptsächlich aus einer Mischung aus Identitären, Rechtsextremen und FPÖ-Parteimitgliedern rekrutieren, aber jeden Vorwurf der Subjektivität abstreiten.
Kontrast.at und Zur Sache gehen wiederum relativ offen damit um, zur Partei zu gehören, und dürfen damit getrost als PR-Kanal gelten. Dabei muss man aber der Ehrenrettung halber dazusagen, dass nicht alle Parteimedien “gleich schlimm” sind oder im gleichen Ausmaß “Propaganda” betreiben - Kontrast mag zwar SPÖ-Interessen bedienen und einen klaren Bias haben, ist aber handwerklich meilenweit vor den FPÖ-Parteimedien, die Geschichten einfach erfinden.
Und jetzt zum Elefanten im Raum: Was ist mit ZackZack.at?
Für die, die es nicht kennen: ZackZack ist das Online-Medium, das aus dem verbleibenden Geld der Liste JETZT-Parteiakademie gegründet wurde, also der Peter-Pilz-Partei. Das Medium steht - ich glaube, so viel Einordnung ist auch unkontroversiell erlaubt - links der Mitte und ist tendenziell SPÖ- bis Grünen-nahe, also ÖVP- und FPÖ-kritisch. Im Gegensatz zu anderen Parteimedien ist diesem aber die Partei abhanden gekommen. Was ist das jetzt? Man könnte argumentieren, dass es sich um eine Mischform handelt - und die ist in Österreich besonders wichtig. Ich nenne sie jetzt für die fiktive Kategorisierung einfach mal ganz polemisch:
“Nicht ganz objektive” Medien: ZackZack könnte argumentieren, in dieser Kategorie zu sein. Denn das Medium behandelt zwar nicht alle gleich und vertritt durchaus eine Linie, aber das könnte man doch ganz klassisch als “Blattlinie” sehen, wie sie bei den meisten Medien vorhanden ist - oder? Dann fällt ein Parteimedium in die gleiche Kategorie wie viele Medien, die man ohne diesen Punkt der Einteilung ganz leicht als “klassische” Medien bezeichnen könnte.
Das Problem ist: Der Österreicher ist sehr gut darin, alles, was ihm nicht passt, in diese Kategorie zu verschieben. Und damit fällt ZackZack in die gleiche Kategorie wie der KURIER, dem vor allem seit dem Abgang von Helmut Brandstätter immer wieder eine ÖVP-Nähe unterstellt wird. Eine Nähe, die wahlweise gerne auch der PRESSE, der ZIB1 im ORF, PULS4 oder auch OE24 unterstellt wird. Umgekehrt wird dem STANDARD oder dem FALTER gerne mal eine Nähe zu den Roten oder Grünen unterstellt. Und damit sind wir plötzlich in einem Land voll mit Schrödingers Parteimedien.
On a side note: Ich bin übrigens persönlich auch der Meinung, dass es einige “parteiische” Journalisten in Österreich gibt, und das auch bei “klassischen” Medien. Ich calle sie aber jetzt nicht out, weil es mir nichts bringt und weil ich gegen Sippenhaftung bin. Ein parteinaher Journalist färbt nicht das ganze Medium in eine Parteifarbe um. Und oft kommen Dinge auch als “parteiischer” rüber, wenn man erstmal in einer Schublade steckt, wie ich beim KURIER, PULS 4 und ADDENDUM lernen durfte. Und damit auch wieder genug dazu.
Parteimedien sind kein Journalismus
Ich denke, dass die Wahrheit ganz einfach ist: Parteimedien sind kein Journalismus. Und ja, das gilt auch, wenn es die Partei mittlerweile nicht mehr gibt.
Aber das ist jetzt auch unfair, oder? Warum darf Medium XY Journalismus sein, wenn da doch so viele ÖVP-freundliche Beiträge erscheinen, aber ZackZack nicht? Weil der KURIER nicht von der Partei gegründet wurde. Dass parteiische Beiträge in allen Medien erscheinen können, ist richtig, aber nur bei Parteimedien hat das System. Die PRESSE wird immer kritisch über die ÖVP schreiben können - und tut das auch -, aber wenn sie plötzlich parteiisch sein würde, wäre das ein personeller Ausrutscher, und kein systematischer Fehler. Sorry to say, aber ich traue einem Haufen Redakteure mit eigenem Kopf mehr als einem Haufen von Redakteuren, die für eine Partei arbeiten.
Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass alle Parteimedien gleich sind und furchtbar skrupellose Flood-the-Zone-With-Shit-Propaganda machen, die per Definition die Demokratie aushebelt. Im Gegenteil kenne ich einige, die mich in den letzten Wochen zum ersten Mal nach ZackZack gefragt haben, weil sie bei den Chatprotokollen rund um die ÖBAG-Postenbesetzung viel Aufmerksamkeit generiert haben. Und auch, wenn man nicht SPÖ-nahe ist, kann man durchaus anerkennen, dass Kontrast höhere handwerkliche Standards anlegt als andere Parteimedien. Trotz Abstufungen ist es, wie Armin Wolf sagt: Es ist trotzdem kein Journalismus, sondern ein Unterschied zwischen guter und schlechter PR.
Das kann ich auch als PR-Berater unterschreiben. In vielen meiner Projekte mache ich eigentlich auch nichts anderes, als journalistisch zu arbeiten. Ich überlege mir, auf welchen Kanälen wir unser Publikum am besten erreichen können, und verpacke Informationen dann so, dass meine Kunden in einem besseren Licht dastehen. Das kann man als “Aufklärung” bezeichnen, aber es ist immer “in favour of someone”. Und wenn man kurz den negativen Beigeschmack wegdenkt, den das Wort Propaganda genießt, kommt man leicht drauf: There’s nothing shady about that.
Parteimedien sind also auch nicht per se verwerflich. Sie informieren Menschen über die politischen Positionen ihrer Politiker und bemühen sich darum, Meinungen zu beeinflussen. Wie jede andere gut gemachte PR, wie jede andere Form der politischen Kommunikation. Diese Feststellung alleine heißt nicht, dass man diese Form der PR verbieten muss oder dass das alles schlechte Menschen sind. Also nein: Das ist kein Journalismus. Aber es muss auch nicht weg.