Wer mich kennt oder mir auf Social Media folgt, hat vielleicht mitbekommen, dass ich letzte Woche für ein paar Tage in London war.
Neben den üblichen London-Things wie dem Buckingham Palace, Trafalgar Square und dem Parlament waren meine Highlights eine extrem lustige und lehrreiche Führung durch Westminster von London with a Local und ein Besuch im Top Secret Comedy Club - beides starke Empfehlungen dafür, wenn ihr mal nach London kommt.
Aber was mir am Reisen immer am meisten gefällt - und schon eine Zeit lang abgegangen ist -, sind die neuen Eindrücke, die man als Österreicher:in so gar nicht kennt. Gut, das Vereinigte Königreich ist jetzt keine besonders fremde Kultur. Aber ein paar Dinge sind mir dann doch ins Auge gesprungen. Also hier ein kleiner Auszug daraus, was ich in London gelernt habe.
In Britain geht es immer nur um Sicherheit.
Was einem als Österreicher wahrscheinlich als Erstes auffällt: Überall in London gibt es Hinweise zum Thema Sicherheit.
Ob es der omnipräsente Hinweis darauf ist, dass dein Aufenthaltsort durch CCTV mit Kameras überwacht wird, oder ob dich Schilder darüber informieren, wie du dich im Gefahrenfall verhalten sollst: Gefühlt geht es im öffentlichen Leben viel mehr um Sicherheit und darum, wie man sich selbst und andere im Ernstfall schützt.
Dabei geht es nicht nur um Terrorismus, sondern auch um ganz normale Sicherheitshinweise. Vor einem Zebrastreifen steht so gut wie immer, in welche Richtung man jetzt schauen muss. Anfangs dachte ich, das wäre nur in Touristen-Gegenden so, um auf den Linksverkehr aufmerksam zu machen - aber es scheint sich wirklich durchzuziehen. Man muss Bürger:innen warnen, sonst tun sie sich weh. “Mind the Gap” beim Einsteigen, “Mind your Head” beim Aussteigen - überall finden sich die kleinen Hinweise, die man sich eigentlich denken könnte.
Besonders befremdlich: Eine Kampagne der Londoner Verkehrsbetriebe weist gerade darauf hin, dass man “Verdächtiges” einfach per Anruf oder SMS an die Transport Police schicken kann. Der Slogan? See It. Say It. Sorted. Einerseits natürlich ein gutes Angebot, wenn man unkompliziert die Polizei kontaktieren kann. Andererseits hat dieser Aufruf dazu, andere zu melden, auch etwas Unheimliches, wenn man die Anonymität und Wurschtigkeit in Wien gewohnt ist.
An jeder Ecke ein Stück Geschichte.
Was man in Wien schon eher gewohnt ist: Egal wo, in fünf Minuten Gehweite findet sich irgendein Ort mit enormer historischer Bedeutung. Und gerade in Großbritannien, wo es mit dem Parlament und dem Königshaus gleich zwei große Geschichten gibt, ist das besonders wahr. Ein Schmankerl, das ich aus der Stadtführung mitgenommen habe, hat mir aber besonders gefallen:
Der Einbruch in den Buckingham Palace
1982 drang das erste Mal jemand in den Buckingham Palace ein. Das klingt nach einem Heist Movie - es war aber ein stinknormaler Bürger namens Michael Fagan, der den Mächtigen einfach mal die Meinung sagen würde, wie es als Arbeiter im United Kingdom nun mal so ist (nämlich scheiße.) Wie drang er also in den Palast ein? Er … kletterte über den Zaun … und ging durch ein offenes Fenster rein. Kein Guard, kein Alarmsystem, nichts.
Als Fagan in den Buckingham Palace kam, sah er sich um, fand die Atmosphäre nett und trank eine Flasche Wein auf dem Thron. Und weil das so gut und ungestraft funktionierte, ging er einfach kurze Zeit später nochmal über die exakt selbe Route, sogar das selbe Fenster, in den Palast. Diesmal aber weckte er die Queen auf, um mit ihr zu … quatschen.
Und sie quatschten auch. Zumindest so lange, bis Fagan eine Zigarette wollte. Die Queen bat ihre Leibwächter per Funk um eine Packung Zigaretten - diese wussten aber, dass die Königin nicht raucht, und wussten, dass der Einbrecher wieder da war. Sie begleiteten Fagan dementsprechend hinaus. Dieser erklärte auf dem Weg nach draußen seine Geschichte und bekam von den Wachen noch einen Gin Tonic. Weil - und das ist angeblich ein Zitat - “He looked like he needed one.”
Und das Beste an der Geschichte: Weil das Eindringen in den Buckingham Palace nicht als verboten gekennzeichnet war, wurde Fagan nicht verhaftet. Der Palast wurde nämlich erst 2007 eine “designated site”, in der das explizit verboten war.
London ist innovativ.
Ein anderes Verbot, das einem als Österreicher in London auffällt, ist das anscheinend geltende Verbot, mit Bargeld zu bezahlen. Okay, “innovativ” ist jetzt vielleicht nicht das perfekte Wort dafür, aber: In London kann man überall mit der Karte zahlen. Sogar der private Tourguide, der uns durch London geführt hat, nahm Bankomat an - und ist damit moderner als viele große Lokale am Land. Von den 300 Pfund, die ich sicherheitshalber noch am Flughafen gewechselt hatte, wurde ich 80 los, obwohl ich wirklich versucht hatte, sie weiterzukriegen.
Das passt zu meinem generellen Eindruck von London: Es ist technologisch relativ fortschrittlich. Die Menge an Werbung für Finanzprodukte und “einfach bezahlen”-Apps ist enorm. Vielleicht lohnen die sich am österreichischen Markt einfach nicht - aber vielleicht scheitert es auch an der Technologieoffenheit. U-Bahn-Tickets kann man nicht nur am klassischen Automaten oder mit der “Oyster-Card” zum Aufladen organisieren, sondern auch einfach mit Apple Pay kontaktlos bezahlen. Gut, in Wien haben wir keine Schranken an der U-Bahn - den Unterschied finde ich trotzdem spannend.
Dieses britische Gefühl.
Was mir auf meinem Trip nach London aber am meisten aufgefallen ist, ist der britische Sinn für Gemeinschaft. Nicht nur aufgrund des Jubiläums von Queen Elizabeth ist London voll mit britischen Flaggen. Überall gibt es Werbungen über Ausstellungen oder Theaterstücke, die sich mit der Frage beschäftigen, was es heißt, Britisch zu sein. Es geht um britische Geschichte, britische Eigenheiten, britisches Lebensgefühl. Kurz: Dieses Land ist sehr mit sich selbst beschäftigt.
Das kann natürlich auch ein Symptom sein für ein Land, das gerade post-brexit seine Identität und Zukunft neu definieren muss. Aber ich habe das auch als sehr positiven Patriotismus wahrgenommen - etwas, das uns in Österreich vergangenheitsbedingt tendenziell fehlt. Überhaupt kommt man sich bei uns im Vergleich eher isoliert vor, während in Großbritannien an jeder Ecke Hinweise darauf sind, dass du in einer Gesellschaft lebst, die sich irgendwie miteinander verständigen muss.
Wo ist unsere Debatte darüber, was es heißt, Österreicher:in zu sein? Und nein, damit meine ich nicht die Staatsbürgerschaftsdebatte, die ähnlich wie die Kopftuch-Diskussionen der Vergangenheit eher aus Ablenkung angezettelt werden. Was macht gute Bürger:innen aus? Wie wollen wir miteinander leben? Was ist unser Platz in der Welt? All das wird in Österreich wenn, dann scheinheilig und oberflächlich diskutiert. Die Brit:innen sind uns da enorm voraus.
Fazit.
Insgesamt habe ich also einen sehr positiven Eindruck von dieser Stadt. Und auch einen sehr optimistischen, wenn auch nur durch den zynischen Humor und die “Nicht optimal, aber wir müssen damit leben”-Einstellung. Mir kommt jedenfalls vor, dass London von einem Mix aus vielen Freizeitmöglichkeiten und einem positiven Lebensgefühl im Sinne von “Gemeinsinn” lebt, und falls noch irgendjemand nicht dort war, würde ich sie (in Kombination mit London with a Local und dem Comedy-Club) sehr empfehlen. Es waren ein paar sehr schöne Tage.
Alright, Gree’ings
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🥵 Die schlechte Nachricht: Es ist heiß. Europa leidet unter einer extremen Hitzewelle. Ihr wisst, warum ich das jetzt bringe: Weil weder die Tatsache, dass der Planet stirbt, noch die russische Abhängigkeit von Gas dafür sorgen, dass ansatzweise schnell genug etwas passiert, um die Klimakrise zumindest einzudämmen.
In Spanien hatte es zuletzt 48 Grad. Ich hab langsam mehr Angst als Vorfreude auf meinen September-Urlaub dorthin. Immer dazu passendes Meme:
🤑 Die gute Nachricht: Der Klimaschutz könnte uns reich machen. Das ist die sehr richtige These von Eva Konzett im FALTER. Wir stehen vor einer existenziellen Krise, und wer jetzt besonders schnell klimaneutral wird bzw. in Lösungen investiert, wird es in Zukunft sehr viel leichter haben. In Österreich sieht es aktuell nicht danach aus. (Nebenanmerkung: Beim Klima-Thema gehört der FALTER zu den besten Medien Österreichs.)