Optimismus - mein Hot Take für 2020
Der Generationenwechsel löst unsere Probleme - no doubt about it
Statt heute mit einem fancy Einstieg anzufangen, der gleich mal das Thema anreißt, stell ich heute lieber eine Frage, die wir uns alle öfter stellen sollten.
Wie geht’s uns eigentlich?
Zwischen Terroranschlägen, Verschwörungstheorien und den Folgen des zweiten Corona-Lockdowns kann es schwer sein, positiv zu bleiben. Während einer fucking Pandemie, in der Menschen in allen Altersgruppen sterben, wird von uns erwartet, weiterzumachen wie immer, obwohl wir eigentlich nur darauf konzentrieren sollten, diesen vermutlich letzten harten Corona-Winter einigermaßen zu überstehen. Also dachte ich, ich schreib mal wieder etwas Positives.
Ein Long Read, den ich euch allen nahelegen will, ist das ausführliche Interview mit Barack Obama im ATLANTIC. Es geht um seine Sicht auf die Pandemie, Donald Trump, Politik im Großen und Ganzen und darum, warum die historisch junge Idee der Vereinigten Staaten von Amerika nicht unbedingt halten muss. Das klingt alles düster - aber was ich an Obama so bewundere, ist, dass er nicht nur extrem intelligent ist, sondern trotz aller Widerstände gnadenlos optimistisch bleibt.
Das Interview ist wirklich beeindruckend und ihr solltet es unbedingt lesen. Aber hier ist ein Zitat, das mir besonders zu denken gegeben hat:
Here’s my optimistic view. This gives me some hope that it’s possible to make common cause with a certain strand of evangelical or conservative who essentially wants to restore a sense of meaning and purpose and spirituality … a person who believes in notions like stewardship and caring for the least of these: They share this with those on the left who have those same nonmaterialistic impulses but express themselves through a nonreligious prism.
When you look at the younger generation, Malia and Sasha’s generation, you see that more clearly. It’s more often articulated, what they want out of life. They’re much less likely to have a need to be on Wall Street by such-and-such date. That is not how they seem to be defining themselves quite as much. That makes me more optimistic.
Und das Hauptargument dieser Passage teile ich: Ich glaube, dass sich viele unserer aktuellen Probleme durch den Generationenwechsel bessern werden.
Wir leben in einer Welt mit unglaublich vielen Problemen. Und jetzt ganz ohne emotionales Boomer-Bashing: Ich glaube, viele davon hängen damit zusammen, wie die Generationen vor uns erzogen wurden. Mir kommt vor, dass gerade im mitteleuropäischen Kontext nach dem Krieg viele so aufgezogen wurden, dass Disziplin und Loyalität die wichtigsten Werte waren. Das klingt nicht unbedingt schlecht - hat aber eine verkorkste Arbeitswelt erschaffen, in der man sich tagsüber abmüht und abends vor dem Fernseher einschläft. (So werden Realityshow-Stars zu Präsidenten.)
Und irgendwie spüre ich da einen Disconnect. Wie kann es sein, dass Menschen den Großteil ihres Tages mit etwas verbringen, das sie hassen? Wie kommt es, dass man nur ein Medium konsumiert, ein Gedrucktes, das einige Stunden alt ist, oder linear fernschaut? Wieso wählen diese Leute Parteien, die seit über 30 Jahren für Wirtschaftspolitik verantwortlich sind und sich dann beschweren, dass die Steuern zu hoch sind? Ich habe 1000 Fragen, wenn ich mir ansehe, wo wir als Gesellschaft stehen - aber alle haben irgendwie hauptsächlich mit älteren Menschen zu tun.
Das war gefühlt schon immer so. Das merke ich, seit ich mich für Politik interessiere. Aber ich merke auch langsam, dass sich da etwas tut. Und dass wir mehr über Dinge reden, die mir wichtig sind. Mein Erklärungsansatz dafür ist einfach und führt mich auch ein bisschen in die Quarterlife-Crisis: Weil die ersten Millennials jetzt 40 sind. Wir sind am Arbeitsmarkt, wir kommen in die Vorstandsposten, wir sind der Mainstream. Und jetzt diskutieren wir mal, wie wir weitertun.
Und das alles ist natürlich grob verallgemeinert. Ich kenne genauso gut Leute in meiner Generation, die jetzt einfach irgendeinen Job haben, den sie nicht mögen, und das einfach akzeptieren. Und meinen älteren Chef, der mir erklären muss, wie flexible Arbeitszeit funktioniert. Ich will niemanden auf sein Alter reduzieren, aber es gibt einfach gesellschaftliche Trends, die sich anhand von Generationen gut festmachen lassen. Und dass meine langsam relevant geworden ist, macht mich schon verdammt optimistisch - hier ein paar Argumente dafür:
Junge Menschen wählen viel seltener Politiker, die den Klimawandel leugnen. Die “grüne Welle” bei den EU-Wahlen letztes Jahr haben wir sicher auch wegen Fridays for Future gesehen. Wer noch mehr als die Hälfte seines Lebens auf diesem Planeten leben muss, sieht das existentielle Risiko und den deutlichen wissenschaftlichen Konsens eben eher ein - und ist damit auch viel weniger anfällig für Greenwashing von Öl-Konzernen.
Während “Work-Life-Balance” für viele Boomer noch immer ein Witz ist, wird das in vielen Bereichen schon Realität. Und während die 9-to-5-Generation in Pension geht, können sich die qualifiziertesten Millennials aussuchen, für wen sie arbeiten. Wenn ich alt bin, werden Home-Office und flexible Arbeitszeiten in vielen Bereichen normal sein, ohne dass man das auf irgendwelchen Podiumsdiskussionen als “innovativ” diskutieren muss.
Da gesellschaftlicher Wandel immer über Generationen stattfindet, werden auch manche Meinungen mit der Zeit aussterben. Oder zumindest fast. Es gibt zwar auch unter den Millennials noch zu viele Rassisten - aber rassistische oder sexistische Ansichten werden immer weniger akzeptiert. Und das ist auch gut so.
Ich hab lange darüber nachgedacht, was dieses gemeinsame Element sein könnte, das meine Generation so stark von der über uns unterscheidet. Und ich glaube, es ist einfach diese Bereitschaft, aufzustehen und was Anderes zu machen, wenn der Status Quo nicht passt. Wenn der Job mit meinem Lebensentwurf nicht vereinbar ist, such ich mir eben was Anderes, wenn am Familientisch jemand rassistisch ist, sag ich was und wenn ein Politiker nicht an meine Zukunft denkt, wähle ich ihn ab. Keine Kompromisse. Die Vorstellung gefällt mir.
Ich glaube, dass “unsere Generation” - und ich muss das in Anführungszeichen setzen, weil es ja schon die Generation Z gibt, die nach mir kommt - viele Probleme ganz einfach durch ihre andere Lebensweise erübrigen wird. Wenn man sich nicht mehr von Anfang an darauf einstellt, dass das Leben eben hart sein muss und dass es ein Wettbewerb “Jeder gegen jeden” sein muss, wird sich vieles erübrigen. Wir werden in Zukunft bessere Arbeitsbedingungen haben, Umweltprobleme viel stärker angehen und vielleicht endlich aufhören, Politiker zu wählen, die seit über 30 Jahren an der Macht sind.
Dazu kommt noch mein starker Glaube an die menschliche Innovationskraft. Wir leben zwar in einer Zeit, in dem wir den Arbeitsmarkt und vielleicht alle gesellschaftlichen Bereiche in zwei Kategorien einteilen können - “Internet-affin” und “schwierig” -, aber es werden immer mehr Menschen durch das Internet verbunden, und das befeuert Problemlösungsansätze nochmal enorm. Nach circa wird es mehrere Impfstoffe gegen Covid19 geben - und ich würde wetten, dass auch irgendein Millennial schon bald eine technische Lösung für die Klimakrise erfinden wird. (Bis dahin bleibe ich aber im Panic Mode.)
Obama hat also Recht, wenn er auch in der sicher größten Krisenzeit Amerikas seit Jahrzehnten sagt, dass er optimistisch ist. Weil wir nur Probleme haben, die wir lösen können. Und auch, wenn online vor allem die Rechtsextremen, Esoteriker, Verschwörungstheoretiker laut sind - das ist nicht die Mehrheit. Die Mehrheit entwickelt sich in eine Richtung, mit der wir das schon irgendwie hinkriegen werden.
Also auch, wenn 2020 Mist ist und wir echt schon bessere Zeiten erlebt haben - ich glaube, die Zukunft wird geil. ✌️
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Guter Text.Ich (boomer) habe ihn an einige Junge verschickt,die sehr sorgenvoll in die Zukunft blicken,v.a. aus Umweltgründen.