Give a man a fish, and you feed him for a day. Teach a man to fish, and you feed him for a lifetime.
Dieses Sprichwort unklaren Ursprungs kommt mir in letzter Zeit immer öfter in den Sinn, wenn ich mir die Innenpolitik anschaue.
Politik hat ja eigentlich die Aufgabe, den Bürger:innen einen Rahmen zu ermöglichen, in dem sie ihr Leben frei und sicher leben können. Dazu gehört auch, dass man ihnen den Wohlstand ermöglicht - aber nicht schenkt. Darum gibt es auch kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Es ist eine Grundsatzfrage der Politik, die in letzter Zeit zu shiften scheint.
Denn bei den ganz großen Fragen, da scheint die Spitzenpolitik keine Ideen mehr zu haben. Während alles teurer wird und sich die Krisen häufen, packen Regierungspolitiker:innen die Gießkanne aus.
Beispiele gefällig?
Im Wien-Wahlkampf im ersten Corona-Winter warb Bürgermeister Ludwig mit dem Wiener Gastro-Gutschein, der vom Boulevard gerne auch Schnitzel-50er genannt wurde.
Als Ausgleich für die (längst überfällige) CO2-Steuer wird es einen “Klimabonus” geben, der je nach eigenen Öffi-Möglichkeiten zwischen 100 und 200 € betragen wird. Damit sollen die Mehrkosten durch die Steuer ausgeglichen werden. Wegen der Inflation wurde der Wert auf 250 € gesteigert, obwohl die Steuer verschoben wurde.
Während der nie enden wollenden Diskussion um Impf-Anreize plädierte die SPÖ für einen “Impf-Gutschein” und 100 € für jeden vollständig Geimpften.
Und auch gegen steigende Energiepreise greifen wir zur Gießkanne: Mit einem Gutschein im Wert von 150 €.
Gutscheine sind gut gemeint und viele werden sich über Gratis-Geld freuen. Aber das Geld ist nicht gratis - es ist unser eigenes Geld. Wir füttern den Staat mit unseren Steuern dafür, dass er sie am Ende ohne jede Bedarfsorientierung wieder ausschüttet. Das kann man jetzt wohlwollend als “Umverteilung” sehen - ich finde es ganz einfach frech.
Denn die wesentlich logischere Alternative wäre, dass wir selbst entscheiden dürfen, was wir mit unserem Geld machen. Ich z. B. bin in der glücklichen Situation, dass ich die 150 € Energiekosten-Gutschein nicht brauche - ich sollte den Gutschein nicht kriegen, weil ich keinen Bedarf habe, und mir wäre mehr geholfen, wenn ich diese 150 € einfach weniger in Form von Steuern bezahlen würde.
Jetzt kann man vielleicht einwenden, dass das Geld einen Zweck hat, wenn man es als Gutschein bekommt. Das war vielleicht beim Gastro-Gutschein so - der war aber mehr Wahlzuckerl als ernsthaftes Konjunkturpaket. Ob der Energiebonus wirklich zu 100 % für die Mehrkosten auf CO2 eingesetzt wird, darf man aber in vielen Fällen hinterfragen. Vor allem, weil die meisten Kosten anfallen, bevor das Geld ausbezahlt wird.
Anstatt regelmäßig ein bisschen Helicopter Money ausbezahlt zu bekommen, würde ich mir als Staatsbürger ernsthafte (strukturelle) Reformen wünschen, die unsere Probleme von Grund auf lösen, anstatt nur Symptome zu bekämpfen.
Ein paar Vorschläge dazu
Abschaffung der Kalten Progression: Damit ist die schleichende Steuererhöhung gemeint, die passiert, wenn man in eine höhere Steuerstufe fällt und dadurch im Endeffekt weniger verdient. Steuerklassen regelmäßig anzupassen, würde zwar vielen nicht so klar auffallen wie ein einmaliger Gutschein, ist aber auf Dauer die beste Entlassung. (Update: Das ist ca. eine halbe Stunde nach Veröffentlichung dieses Newsletters präsentiert worden. Gut so!)
Generelle Entlastung auf Arbeit: Wenn wir sagen, dass “die Steuern” hoch sind, meinen wir meistens die auf Arbeit bzw. Einkommen. Die sind schon lange zu hoch, werden dann durch regelmäßige “größte Steuerreformen aller Zeiten” marginal gesenkt und 1-2 Jahre später werden diese Gewinne von der Kalten Progression aufgefressen.
Impf-Anreize, ohne die Stursten zu belohnen: Wir hatten mit 2G+ bereits einen sehr guten Anreiz, sich einfach impfen zu lassen. Wenn wir im nächsten Corona-Winter - oder in einer potenziellen Sommer-Welle - wieder mit vollen Intensivstationen zu kämpfen haben, müssen wir eben wieder testen und das Leben für jene ungemütlicher machen, die das Problem hauptsächlich verursachen. Wer will, kann ins Restaurant, aber eben nicht ganz so leicht wie die anderen. Und wer sich seit über einem Jahr genereller Verfügbarkeit noch nicht mal den ersten Stich geholt hat, sollte jetzt nicht noch dafür mit Steuergeld belohnt werden.
Nachhaltige Maßnahmen statt Gutscheine: Das beste Rezept für sinkende Energiekosten ist immer noch, unsere verheerende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. In Vorarlberg, Tirol und Salzburg steht noch kein einziges Windrad, die Energiewirtschaft bettelt seit Jahren um bessere Rahmenbedingungen für einen schnelleren Netzausbau, und jedes noch so kleine Projekt zur grünen Energie wird NIMBYs aufgehalten. Aber wir scheinen es eh nicht so ernst zu nehmen - wir können die höheren Gaskosten ja einfach mit der Gießkanne abfangen.
Zusammengefasst: Wir brauchen konkrete Lösungen, die das Problem an der Wurzel packen - und keine Gutscheine, die uns einfach über die nächsten paar Wochen bringen.
Das wäre mein Anspruch an seriöse Politik. Aber mir kommt schon lange vor, dass vor allem die traditionellen Großparteien diesen aufgegeben haben. Wenn es komplexe Probleme gibt, für deren Lösung man sich mit einigen Wähler:innengruppen anlegen müsste, wird lieber die Gießkanne ausgepackt - vor allem in Wahlkampfzeiten. Und irgendwo in Österreich stehen bekanntlich immer Wahlen an.
Noch mehr Lesestoff
ÖVP in Trouble. Wisst ihr noch, als Margit Kraker zur Rechnungshof-Präsidentin ernannt und das als Sieg für die ÖVP gesehen wurde? Well - der neue Rechnungshof-Bericht zerpflückt viele der aktuellen Geschichten in der Volkspartei. Das Kontrollorgan geht davon aus, dass einige Angaben zu den Parteifinanzen falsch sind und schickt einen externen Wirtschaftsprüfer. Den Bericht kann man hier lesen.
Es bröselt. Ernst Sittinger schreibt in der KLEINEN ZEITUNG über die ÖVP-Krise. Langsam habe ich das Gefühl, das Vertrauen in die Kanzlerpartei geht nach zahlreichen Korruptionsaffären endgültig gegen 0. Sittinger dazu:
Unklare Geldflüsse, überteuerte Inserate und Bünde, die nicht zur Partei gehören: Dieses "Herumfuhrwerken" geht heute nicht mehr. Die ÖVP muss trachten, strukturell nicht den Anschluss zu verlieren.
Und weiter noch ein Ausblick, der die Wahlen in Kärnten, Niederösterreich und Tirol beeinflussen könnte:
Die ÖVP pokert mit hohem Einsatz. Selbst wenn sie in formaler, bilanztechnischer Hinsicht den Mehltau des Misstrauens irgendwann abschütteln kann, wird sie das Spiel auf diese Art politisch trotzdem nicht gewinnen. Denn dem Vernehmen nach handelt es sich um eine Partei. Sie wirbt also um unser Vertrauen. Dieses wird nicht mit passiven Rechnungsabgrenzungsposten gewonnen, sondern durch Transparenz, Offenheit und nachvollziehbar wahrhaftige Strukturen.
Die ignorierte Warnung. Ein westlicher Geheimdienst warnte die Republik im Jahr 2015, dass Rainer Seele nicht zum Chef der OMV werden sollte. Das würde Putin nur in die Hände spielen, er sei “sein Kandidat”.
Was hat die rot-schwarze Koalition mit dieser Info gemacht? Nichts. Seele wurde Unternehmenschef, unterzeichnete viel zu früh eine Verlängerung der Gasverträge mit Russland, lud Putin nach Wien ein und verstärkte die historisch gewachsene Abhängigkeit von russischem Gas. Eine österreichische Erfolgsgeschichte in der PRESSE.