Dieses Jahr feiert NEOS seinen zehnten Geburtstag. Mittlerweile eh schon lange - ihr habt das sicher mitbekommen, und wenn nicht, dann wisst ihr es hiermit.
Aber heute feiere ich mein persönliches Jubiläum. Denn es klingt arg, aber vor zehn Jahren hatte ich meinen ersten Kontakt mit NEOS. Das heißt, dieser Text wird wieder etwas persönlich und sentimental - aber ich dachte, über so ein Jubiläum muss ich etwas schreiben.
Vor zehn Jahren war ich 19 Jahre alt.
Ich hatte schon damals das Gefühl, gegen Mauern zu laufen. Politik interessiert mich seit ca. 2010 - meine erste Wahl war die Bundespräsidentschaftswahl Fischer II -, und ich hatte schon damals den Eindruck, dass dieses Land besonders veränderungsresistent ist.
Mein erster Bundeskanzler war immerhin Werner Faymann. Eine Person, die wie wenig andere dafür steht, keinerlei gestalterischen Anspruch in der Politik zu haben. Dass man ihn sich heute als Hort der Stabilität zurückwünschen könnte - aber wirklich nur theoretisch - spricht Bände darüber, wie wenig positive Reformbereitschaft es in Österreich bei den wichtigen Themen gibt. Pensionen. Bildung. Klima.
Ich hatte das Gefühl, dass man in Österreich gegen die Wand laufen muss, wenn man politisch engagiert ist. Es gab im Wesentlichen vier Parteien - wobei für irgendeine random Protestpartei immer Platz war, aber halt nur für eine Legislaturperiode -, und die waren alle nicht attraktiv für mich. Die FPÖ war, wie sie immer noch ist, die SPÖ und ÖVP bewiesen in der Regierung, dass sie nicht wollten, und die Grünen mochten zwar anständiger sein - aber auch sie hatten ihre Probleme mit Wissenschaftsfeindlichkeit, Esoterik und einem unsympathischen linken Rand. Wer also außerhalb etwas durchsetzen wollte, hatte also einfach Pech.
Und auch eine andere Konstante zieht sich durch mein politisches Leben: Österreich hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Und das führt uns auch dazu, warum ich jetzt seit zehn Jahren bei NEOS bin.
Am 26. November 2012 war eine Demo in Salzburg.
Ich wusste nicht mehr auswendig, worum es ging - aber weil ich das Datum noch kannte, konnte ich nachgoogeln, dass Heinz-Christian Strache zu Gast war. Ein Freund und ich waren dort und haben “Nazis raus” geschrien, weil mir Rassismus schon immer zuwider war und ich die FPÖ damals für die größte Gefahr für die Demokratie gehalten habe. (Das ist immer noch so - sie ist aber wahrscheinlich weiter weg von der Macht.)
Wer schon einmal protestieren war, weiß, dass man danach voller Energie ist. Und mit der wollten mein Freund und ich noch irgendetwas machen. Auf Facebook - ja, es ist zehn Jahre her, aber das war mal cool - haben wir zufällig mitbekommen, dass sich eine neue Partei in einem kleinen Lokal in der Altstadt vorstellt. Also schauten wir hin.
Ein gleich kleiner Mann wie ich begrüßte mich und stellte sich vor: “Servus! Matthias!”
Ich wusste nicht, dass das der Parteiobmann war. Parteichefs, das waren doch diese gestriegelten, perfekt inszenierten und irgendwie auch langweilig-technokratischen Menschen, die nicht wie normale Leute reden konnten. Aber das war irgendwie … ein ganz normaler Dude, der über Politik reden wollte.
Matthias Strolz stellte die Pläne dieser neuen Partei vor. Das Parteibuch dürfe nicht wichtiger sein als Leistung. Korruption, Rechtsextremismus und diese Besessenheit mit dem eigenen Machterhalt - er hielt seine Rede über genau die Themen, die mich heute immer noch wütend machen.
Und dann redete er von einer Bildungsreform. Die Schule, die bereite Kinder und Jugendliche nicht auf das Leben vor. 50-Minuten-Einheiten, ein alter Fächerkanon und mangelnde Schulautonomie, das wären die großen Probleme, die Rot-Schwarz nicht lösen wolle.
Ich war damals in der 5. Klasse HAK, im Maturajahr. Und ich hab diese Kritik gefühlt. Ich hatte mich seit Jahren damit abgefunden, dass Schule nun mal nichts war, was mich interessieren musste - bis auf meine Glückstreffer, den BWL- und den Deutschlehrer, war das eine reine Pflichtübung im Bulimie-Lernen für Dinge, die ich in meinem Leben niemals brauchen würde. (Das hat sich bis heute bewahrheitet: Die abstrakten Themen in der Mathematik hab ich im Maturajahr das letzte Mal “gebraucht”.)
Und da war mir klar: Ich bin dabei.
Für den Wahlkampf in Salzburg im Jahr 2013 hat es noch nicht gereicht - immerhin braucht es mehr als ein paar Monate, um eine Struktur aufzubauen, mit der man eine Wahl bestreiten kann. Aber für die Nationalratswahl im selben Jahr bin ich gerannt: Ich war das erste Mal im Leben bei Straßenwahlkampf-Aktionen, hab Menschen Flyer in die Hand gedrückt und mit ihnen über Politik gequatscht. Eine Erfahrung, die mir extrem viel beigebracht hat.
Fast Forward, zehn Jahre nach diesem Termin in Salzburg: Und ich bin immer noch bei den NEOS.
Wieder, eigentlich. Als ich Journalist werden wollte, habe ich mich zurückgezogen, weil ich glaube, dass die eigene “Parteifarbe”, die Ideologie, in meinem Job keine Rolle spielen durfte. Dass ich jetzt Chefredakteur des Parteimediums bin, ist also eigentlich ein lustiger Treppenwitz. Es hat halt genau so sein sollen.
Es geht noch immer um die gleichen Themen wie damals.
Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber unser Bildungssystem bereitet die Jugend noch immer nicht auf das Leben vor. Der Unterricht fängt immer noch gefühlt mitten in der Nacht an, teilt sich auf 50-Minuten-Einheiten mit starrem Lehrplan auf, der junge Menschen auf eine zentrale Prüfung vorbereitet, die ihre Chancen im Leben entscheiden wird. Selbst neue Dinge zu erarbeiten? Themenbezogener, fächerübergreifender Unterricht? Da hat sich gar nichts getan.
Aber eines ist besser geworden: In Wien, wo die NEOS mitregieren, gibt es das Wiener Bildungsversprechen, das Schulen einen Schritt näher an die Schulautonomie bringt. Für eine echte, flächendeckende Regelung, mit der Schulen sich ihre Schwerpunkte und pädagogischen Konzepte aussuchen können, bräuchte es aber auch die Bundespolitik.
Politik ist immer noch intransparent. SPÖ und ÖVP haben sich nicht verändert, auch, wenn die innenpolitische Situation mehr und mehr danach verlangen würde. Es geht immer noch mehr um Machterhalt als darum, etwas zu verändern und das Leben von Menschen besser zu machen. Genau das hat mich schon immer angekotzt. Und genau das ist der Grund, warum ich schon so lange politisch begeistert und noch nicht zynisch geworden bin.
Dabei war ich eigentlich schon mal fast draußen aus diesem polit-medialen Zirkus.
Die PR war da durchaus angenehm, weil in den meisten Fällen wirklich zählte, welche Ideen ich hatte. Im Journalismus ging es eher um Erfahrung, aber auch ums Alter. Die Perspektive war, dass ich gut verdienen könnte, wenn ich zehn Jahre als lächelnder Idealist mit beschissenem Gehalt mache.
Aber was ich in der PR auch gesehen habe, war das gleiche System, das mich so ankotzt. Ausschreibungen, bei denen man vorher die Frage stellen musste, ob das eine echte oder eine geschobene Partie ist. Menschen im öffentlichen Bereich, die nicht nur die beste Idee ablehnen, sondern auch die zweit- und drittbeste, weil es um Eitelkeit ging. Und vor allem Leute, die mit Greenwashing vermeiden wollten, sich an die geänderte Zeit anzupassen. (Das habe ich übrigens nie gemacht - es war viel mehr eine Erwartungshaltung da, dass man doch so arbeiten könne, warum denn auch nicht?)
Die Entscheidung, schon wieder die Branche zu wechseln, war trotzdem nicht leicht. Ein cooler Job mit coolen Kollegen in einem Bereich, in dem man gut aufsteigen kann und gut verdient - wer würde das nicht wollen? Aber am Ende hat es mich doch immer gejuckt, wenn ich an der Seitenlinie stehe, während sich ein korrupter Haufen mit Steuergeld bereichert und Posten verschafft. Man hätte auch nichts daran ändern können:
Ich will einfach etwas machen, was ich als Staatsbürger cool finde.
Und das ist eben, Politik zu gestalten und mich mit diesem System, das mich seit mehr als zehn Jahren so massiv angeht, so lange anzulegen, bis es weg ist. Und auch, wenn sich in den zehn Jahren, in denen es NEOS gibt, gezeigt hat, dass diese Mauern sehr dick sind: Ich glaube, man kann, ja muss sie einreißen. Man muss für sich für ein besseres Land nun mal auch mit Leuten streiten, anstatt einfach hinzunehmen, was die aufführen.
Mal schauen, wie lange ich noch gegen diese Mauer renne und wann sie nachgibt. Aber ich hab das Gefühl, bei NEOS bin ich dafür am absolut richtigen Ort. Und das jetzt eben seit zehn Jahren.
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