Warum es kein rechtes Social Network gibt
Eine Echokammer voll mit gebannten Usern - what could go wrong?
Der Titel fühlt sich gelogen an, oder? Natürlich gibt es rechte Social Networks, werdet ihr sagen. Von Parler könntet ihr schon gehört haben - die App, die von einflussreichen amerikanischen Rechten finanziert wurde, um Trump-Fans einen Safe Space zu geben, um dann sehr schnell aus dem App Store zu fliegen. Oder von Gab, dem „Twitter für Konservative“, das sich auch nie so recht durchgesetzt hat. Ist alles da, oder?
Kommt drauf an, wie man „da sein“ definiert. Die meisten rechten Plattformen rühmen sich damit, endlich das Zensur-Diktat der großen Plattformen zu brechen und das Bedürfnis der Massen zu erfüllen, endlich frei sprechen zu können. Am Ende spricht dort aber … fast niemand. Warum das so ist, ist ganz leicht erklärt: Sie werden einfach sehr, sehr schnell uninteressant.
Warum rechte Plattformen so uninteressant sind
Die meisten „rechten“ Social Networks kommen aus den USA und sprechen damit auch Themen an, die vor allem dort als relevant gelten, z. B. Cancel Culture oder Critical Race Theory. Diese Debatten schaffen es meist nicht über den Teich - und wenn, dann werden sie nur fleißig diskutiert, ohne eine relevante Auswirkung zu haben. Wie viele Menschen werden in Österreich gecancelt, weil sie eine „falsche“ politische Meinung haben? Wie viele Student:innen werden in Österreich „indoktriniert“ und bekommen beigebracht, dass es falsch wäre, weiß zu sein? Diese Fragen stellen sich in unserem Alltag kaum - die Diskussion wird im Wesentlichen geführt, weil sie in Amerika geführt wird und wir irgendwie am Puls der Zeit sein wollen. Rechte in Österreich üben sich vor allem im Schattenboxen.
Dazu kommt, dass die USA mit dem First Amendment, also dem ersten Zusatz zur Verfassung, ein quasi-religiöses Fundament dafür haben, alles sagen zu dürfen. Also, wirklich alles. Das Verbotsgesetz, das in Österreich (aus Gründen) wie ein No-Brainer wirkt, ist in den Vereinigten Staaten also umstritten - auch Rassismus ist eine Meinung, und so gut wie alles ist „protected by the first amendment“. Darum gab es auch eine Diskussion, als Facebook nach langer Kritik endlich angekündigt hat, Holocaust-Leugnung zu verbieten.
Wenn sich rechte soziale Netzwerke also profilieren wollen, dann im Wesentlichen durch die Abwesenheit von Moderation. Damit positionieren sie sich im Unterschied zu den restlichen Plattformen: „Hier kannst du alles sagen, anders als auf Facebook und in den Mainstream-Medien!“
Das Problem ist: Eine Plattform, die niemanden sperrt, ist vor allem für die User interessant, die anderswo gesperrt sind. Und das sind jene, die auf Facebook, Twitter oder YouTube für Postings mit Gewaltverherrlichung, Aufruf zum Mord, Sexismus, Rassismus und anderen unguten - nennen wir es mal höflich so - „Meinungen“ aufgefallen sind. Kurz: Rechte Social Networks sind in der Regel nicht nur etwas für rechte, sondern spezifischer für rechte Arschlöcher.
Dazu kommt, dass die Rechten etwas mehr brauchen als eine Plattform, die sie jeden Scheiß schreiben lässt: Sie brauchen einen Feind. Jeder kennt die Situation, wenn der eigene Tweet von irgendwelchen rechten Troll-Accounts gekapert wird. Sie kommentieren, zitieren den Tweet oder retweeten ihn ironisch - nicht, weil sie etwas zu sagen hätten, sondern weil sie Trolle sind, die dir ihre Meinung möglichst provokant zeigen wollen und eine große Freude haben, dir damit den Tag zu versauen.
Das ist übrigens kein Phänomen der Rechten - das ist einfach, wie Twitter funktioniert. Wer noch nicht einen anderen Inhalt mit Quote-Tweet an die eigenen Follower:innen geteilt hat, um gemeinsam über die Dummheit zu lachen, der werfe den ersten Stein. Ich weiß jedenfalls, dass ich da definitiv schuldig bin. Aber genau das ist es, was rechten sozialen Medien fehlt: Es sind keine Linken, keine Liberalen, keine moderaten Konservativen dort. Niemand, den man angehen könnte.
Alle rechten Apps teilen das gleiche Schicksal
Am Ende sind rechte soziale Netzwerke also schnell dazu verdammt, eine Blase zu werden, in der vor allem die User posten, die man auf keinem anderen Social Network haben will. Die Feeds füllen sich mit Verschwörungstheorien, Gewaltaufrufen, Falschinformationen und Sexismus - und auf der Plattform ist man sich damit relativ schnell einig.
Aber was bringt es, wenn sich ein paar schlechte Menschen gegenseitig recht geben? Wenn alle zustimmen, macht das keinen Spaß. Darum leben ja auch die angeblich linken Zensurmaschinerien Twitter und Instagram noch - weil es da durchaus verschiedene Nischen gibt und man, bis auf einige sehr nachvollziehbare Regeln, das allermeiste sagen und posten darf.
Die neue rechte Social-Media-App heißt übrigens „Gettr“. Sie hat mit dem Trump-Team zu tun und verspricht auch, gegen Cancel Culture zu sein. De facto hat sie sich neben dem üblichen rechten Bullshit sehr schnell mit merkwürdigen Pornos gefüllt. Das führt sogar so weit, dass jetzt einige Trolle behaupten, dass Furry Porn - wenn ihr nicht wisst, was das ist, genießt euer Leben und googelt nicht - „protected speech“ sei und daher stehen bleiben müsse, weil auch Gettr diesen Content gesperrt hat. Die ganze App ist wie ein Autounfall, bei dem man nicht wegschauen kann.
Früher oder später werden all diese Apps das gleiche Schicksal teilen: Sie werden deplatformt. Apple und Google müssen keine Hate Speech dulden und sagen deshalb zurecht, dass diese Apps kein Recht darauf haben, im App Store dieser privaten Anbieter aufzuscheinen. Danach fristen diese Netzwerke ihr Nischendasein in Desktop-Versionen, in denen sich ein paar schlechte Menschen gegenseitig Recht geben, bis ihr neues heißes Ding in der Irrelevanz verschwindet. So, wie es mit Parler und zahlreichen anderen schon passiert ist.