Es ist also soweit. Heute ist mein letzter Tag bei Milestones in Communication. Der PR-Agentur, bei der ich vor mittlerweile 3,5 Jahren angefangen habe.
Ursprünglich bin ich in die Agentur gekommen, weil ich mich nach Jahren im Journalismus - wo es wenig Geld gab und wo viele meiner Ideen abgelehnt wurden - endlich kreativ ausleben wolle. Ich bin kein Alleskönner, aber ich würde für mich beanspruchen, dass aus Nichts Etwas zu machen und eine lustige oder irgendwie auffällige Idee zu haben zu meinen Stärken gehört.
Und dieses Kalkül ist mir gut aufgegangen.
Ich gehe auch mit einem weinenden Auge, weil ich coole Kolleg:innen hinter mir lasse und von einem Job gehe, der mir nicht viel mehr geben hätte können. Nicht nur, dass ich flexible Arbeitszeiten und ein angenehmes Arbeitsklima hatte - ich hab auch so viel gelernt, das mir in jedem weiteren Beruf extrem helfen wird.
Aber das soll kein rein sentimentaler Newsletter werden. Ich will auch ein paar Learnings festhalten, die ich in der PR gelernt habe, solange sie noch frisch sind.
1. Die wenigsten kennen sich mit Kommunikation aus.
Ein überraschendes Learning hatte ich in meiner Anfangszeit als PR-Berater. Ich kam aus dem Journalismus, was für viele ein gutes Argument war, und so wurde ich auch vorgestellt. Aber ich hatte nur wenig Berufserfahrung als Freelancer im Social-Media-Bereich und hatte nichts Entsprechendes studiert. Wie soll ich also Unternehmen erklären, wie sie ihre Kommunikation aufzustellen haben?
Die Antwort ist: Die wissen es ja auch nicht. In der Regel suchen sich die wenigsten eine PR-Agentur, weil sie selbst schon gut aufgestellt sind. Viele fangen einfach erst jetzt zu kommunizieren an, weil es gerade zum ersten Mal ein Problem gibt. Leute sind überrascht, wenn es Shitstorms gibt, und sie finden es frech, wenn sich ihre Kund:innen auf Social Media beschweren. Sie wissen auch kaum, welche Werkzeuge sie haben und sind überrascht, dass sie überhaupt kommunizieren müssen.
Das gilt natürlich nicht für alle, und ich durfte auch mit sehr professionellen Kund:innen zusammenarbeiten. Aber viele Menschen, die wirtschaftlich erfolgreich sind, haben trotzdem keine Ahnung von Kommunikation.
2. Oft geht es nur um Eitelkeit.
Es gibt aber noch eine andere Ebene als die kleinen Unternehmer:innen, die im harten Wettbewerb auf sich aufmerksam machen wollen: Die der Großunternehmen und Konzerne, in der man Vollprofis vermuten darf.
Auch hier hatte ich gemischte Eindrücke. Es gab Leute, die mich wirklich beeindruckt haben, weil sie sich unglaublich schnell einen Überblick über viele Themen machen konnten, dazu schnell eine fundierte und g’scheite Meinung hatten und neben ihrem daily hustle noch die Zeit hatten, sich viel zu überlegen. Die Art von Menschen, deren Intelligenz du sehen kannst, wenn du ihnen nur in die Augen schaust. (Fun Fact: Viele dieser Leute waren aus Deutschland. Ich frage mich, ob die Ansprüche an das Berufsbild dort höher sind.)
Und auf der anderen Seite gab es Unternehmenschefs, die aus meiner Sicht unprofessionell waren. Die zu Dingen eine Presseaussendung mit Hochglanzfoto von sich selbst wollten, obwohl die Geschichte dazu langweilig war. Oder die einfach “gerne mal wieder in der Zeitung” wären. Der Grund für die Kommunikation an sich ist in diesem Fall nicht, dass man etwas zu erzählen hat oder dass man auf die Ziele des Unternehmens einzahlen will - sondern pure Eitelkeit. (Bezeichnenderweise schielen diese Menschen dann oft schon auf den nächsten Job.)
Natürlich muss man zu Kund:innen immer höflich sein, und ich glaube, dass mir das auch gelungen ist. Trotzdem führt mich dieses Verhalten zum nächsten Learning.
3. PR heißt Widerspruch.
Auch, wenn ich anfangs nicht viel vom Fach wusste - zwei Dinge haben mich im Wesentlichen durch meine Anfangszeit gebracht:
Ich kenne mich gut mit Social Media aus. Einem Bereich, bei dem viele Ältere in der Kommunikation noch Schwierigkeiten haben.
Ich erkenne eine schlechte Idee, wenn ich sie sehe.
Ich war in unzähligen Meetings, in denen Unternehmenschef:innen oder andere Entscheider:innen saßen und mir erklärten, dass man “dazu etwas machen muss”. Wobei “dazu” etwas war, das niemanden im Journalismus interessieren würde. Meine Aufgabe war dann im Wesentlichen, ihnen zu sagen, dass wir das so sicher nicht machen. Die Unterstützung vom Chef hatten wir davon immer - in fast jedem Meeting gab es irgendwo ein höfliches, aber bestimmtes “Des interessiert kan!”
Das waren auch die Themen, für die ich keinen meiner Freunde in der Branche angerufen habe, weil ich sie nicht mit schlechten Themen belästigen wollte. Dafür muss man nicht studiert haben, sondern wissen, wie eine Redaktion arbeitet und wie sie Seiten füllt.
4. PR heißt zu wissen, was cool ist.
Mit der Zeit habe ich mehr und mehr Erfahrung gesammelt, erste Kampagnen selbst konzipiert und durchgeführt, Reportings geschrieben, Termine geleitet und Kunden im Lead übernommen. Oft habe ich mich an dem orientiert, was vorher gemacht wurde oder was meine Kolleg:innen mir geraten haben - irgendwie muss man’s ja lernen. Aber meine Kernkompetenz war am Ende, meinen Kund:innen zu sagen, was cool wäre und was nicht.
Für einen Kunden in der Energiebranche haben wir eine Jugendwort-Kampagne mit Begriffen wie cringe oder sus gemacht, um Studierende zu erreichen. Für einen der größten Konzerne Österreichs übernehmen wir das Community Management und durften einfach zurücktrollen - was anderen User:innen natürlich gefallen hat. Und im Sommer 2019 haben wir ohne jedes Budget eine Kampagne zur Rettung der Shisha-Bars auf die Beine gestellt, die sich sehen lassen konnte. Einfach, weil wir eine Idee hatten, was cool wäre, und sich unsere Kund:innen auf unsere Expertise verlassen haben.
Und das führt mich zu einer These, die ich auch in der Agentur heiß diskutiert habe: Ich glaube, dass viele Menschen das Potenzial zum PR-Berater haben. Es braucht nämlich keinen Hochschulabschluss oder 10 Jahre Berufserfahrung - sondern Leute, die einschätzen können, was interessant ist und was nicht. Das erklärt auch, warum viele meiner Kolleg:innen bei Milestones wie ich noch vor dem Studienabschluss in die Agentur gekommen sind. Man muss einfach ein Gespür dafür haben.
What’s next?
Dieses Gespür ermöglicht mir auch erst, diesen Job in eine Richtung zu verlassen, die ich noch cooler finde. Im Mai starte ich im NEOS Parlamentsklub, um wie immer “was mit Medien” zu machen - darüber erzähle ich aber ein andermal mehr.
Der Wechsel erklärt sich einfach dadurch, dass ich gerne wieder an Themen arbeiten würde, die mir als Staatsbürger wichtig sind. Viele der Kampagnen, an denen ich mitarbeiten durfte, waren zwar politisch und auch auf der richtigen Seite - am Ende ist mir aber vor allem wichtig, dass sich liberale Politik in Österreich durchsetzt und dass die ÖVP nach 35 Jahren an der Macht eine Pause in der Opposition bekommt. Wenn ich das in der PR bewirken könnte, würde ich bleiben. Aber es zieht mich zu stark in die Politik.
Danke!
So gut wie alles, was ich in der PR gelernt habe, habe ich von anderen gelernt. Also an dieser Stelle noch ein Shoutout an die Milestones, mit denen ich in den letzten Jahren viel Spaß hatte und viele coole Projekte auf die Beine gestellt habe. In einem so coolen Job so flexibel zu arbeiten, ist nicht selbstverständlich.
Für jetzt freue ich mich aber auch auf die neuen Aufgaben bei NEOS und darauf, mich weiterhin im politischen System Österreichs auszutoben. Stay tuned!
Euer heute etwas nostalgischer
Noch mehr Lesestoff
Ist das russische Militär ein Papiertiger? Sieht so aus, wenn es nach Joel Rayburn geht, einem früheren Colonel der US-Armee, der heute für einen Think Tank tätig ist: “They’re a poor-quality military with poor-quality leadership and poor logistics—and seemingly highly inclined to corruption.”
Martin Thürs Rede beim Concordia-Preis. Mein früherer Addendum-Kollege hat den Preis für Pressefreiheit bekommen und danach eine Rede gehalten, die ich euch gerne auch im Volltext empfehle.
In den vergangenen Jahren sind die alten, ohnehin schon schlampigen Verhältnisse in diesem Land noch schlampiger geworden, nicht nur zwischen der Politik und den Medien. “Die Macht der Parteien ist zu groß, um noch demokratiepolitisch erträglich zu sein,” schreibt der nicht gerade als Umstürzler bekannte Concordia-Präsident Andreas Koller am Wochenende in den Salzburger Nachrichten und ich würde behaupten, daran trägt auch ein Journalismus Verantwortung, der bestenfalls achselzuckend zugesehen und im schlimmsten Fall sich selbst an die Politik verkauft hat.
Wenn die Parteien seit Jahren daran scheitern, sich selbst zu reinigen und effektive Regeln für eine saubere Demokratie zu etablieren, darf das Journalismus nicht einfach als “rot-weiß-rotes” Lokalkolorit akzeptieren. “There is a crack in everything, that’s how the light gets in” singt der großartige Leonard Cohen und wie immer, hat er Recht.