Wir Sabotage-Agenten
Arbeitsweisen, die jeder kennt, kommen direkt aus einem CIA-Handbuch zur Sabotage in Feindesland
Mein Arbeitsstil ist komisch. Ich stehe zu komplett unterschiedlichen Zeiten auf und komme zu merkwürdigen Zeiten wieder heim. Unter der Woche wirkt es oft, als würde ich permanent verschlafen und dann früher heimgehen, und am Wochenende wirkt es für andere, als würde ich 24/7 arbeiten. Und das klassische Monotasken, also nur eine Aufgabe auf einmal machen, bekomme ich nur in seltenen Ausnahmefällen hin.
Warum ich trotzdem so etwas wie eine Karriere habe? Weil ich ungefähr verstehe, wie Produktivität funktioniert. Oder zumindest das Gegenteil davon.
Das wird jetzt kein „10 Hustler-Tricks für deine erste Million“-Text, das ist nicht meine Bubble.
Aber ich glaube, wenn man ganz simple Basics berücksichtigt, kann man die 9-to-5-Woche komplett streichen und trotzdem gleich produktiv sein, wenn man in einer Branche arbeitet, in der das einigermaßen geht.
Ich war vor Kurzem bei einem Seminar. Ich plaudere nicht aus, welches, weil ich in letzter Zeit in sehr vielen Seminaren bin und man eigentlich nur falsch raten kann, welches.
Das Setting war jedenfalls „Young Professionals üben den Umgang mit stressigen Situationen“. Dafür wurden sie in Teams gesteckt, die für verschiedene Aufgaben zuständig, aber trotzdem im Gesamten voneinander abhängig waren. Nachdem sie ihre Teams gebildet und sich ungefähr aufeinander abgestimmt hatten, geschah etwas Überraschendes: Im allerersten Meeting, das sie gemeinsam mit den anderen Bereichen hatten, wurden sofort Prozesse besprochen.
Warum zur Hölle würde man das tun?
Ich verstehe die perverse Liebe nicht, die man in Österreich zu Prozessen hat. Egal in welchem Bereich, welchem Unternehmen, welcher Branche – mir kommt vor, alles muss mit technischen Begriffen beschrieben und überkompliziert in Schritte gefasst werden, bevor die Arbeit wirklich losgehen kann.
Nur selten kommt das aus einem ernsthaften Drive heraus, die Arbeit besser, effizienter oder angenehmer zu machen. Ich glaube, Prozesse passieren den meisten einfach, weil sie glauben, dass professionelles Arbeiten so aussehen muss.
Als ich in der PR gearbeitet habe, konnte ich das in verschiedensten Branchen beobachten:
Das kleine Unternehmen aus einem kleinen Bundesland, das Prozessmanagement-Tools verwendet, als wäre es Google
Die semi-relevante Organisation der öffentlichen Hand, die Wordings einzelner Social-Media-Postings bis zur höchsten Stelle hinauf eskaliert
Die Firma, in der jeder einen Titel mit „Chef“ hat, was heißt, dass auch wirklich alle acht Leute im Meeting dabei und zufrieden sein müssen
Das Unternehmen, das einen nichtssagenden Dreiseiter als „Nachhaltigkeitskonzept“ hat, mit dem alles zu rechtfertigen ist
Alles Beispiele dafür, wie man es eigentlich nicht machen sollte.
Und alles Beispiele für Unternehmen, die komischerweise Probleme damit hatten, Personal zu finden, zu führen und zu halten. Aber wie soll man da rauskommen?
Wer nicht weiß, wie man Kritik in diese Richtung äußern soll, hat ein verständliches Problem. Gerade Menschen in Chefetagen neigen zum Narzissmus, können nicht mehr mit Kritik umgehen und sind – gerade in den schlechtesten Unternehmen – schon zu lange von Ja-Sagern umgeben, um sich selbst anzuzweifeln. Kritik am Prozessmanagement oder daran, wie Gespräche geführt werden, kommt also einem Kündigungsschreiben gleich.
Eine lustige, smoothe Art, diese Kritik rüberzubringen, bietet die ungefähr unwahrscheinlichste Quelle überhaupt:
Die fucking CIA sagt, dass dieses Verhalten ineffizient ist.
Das CIA-Handbuch für Sabotage im Feindgebiet ist ein unterschätztes Werk der Kriegsspionage – und auch für den Arbeitsalltag in modernen Bürojobs unerlässlich.
Dieses Handbuch habe ich gleich auf zwei Quellen gleichzeitig. Auf der einen Seite, weil ich mir im Imperial War Museum in London viele Bücher rund um Krieg und Spionage gekauft habe, einfach eine geile Nische. Und auf der anderen als Empfehlung aus dem Buch „Humor, Seriously“ und meinem Humorwissenschaft-Rabbit-Hole, das mich im Lockdown beschäftigt gehalten hat. Dort wird es eben als humorvolle Weise empfohlen, jemandem – am besten einer Gruppe – zu sagen, dass etwas gerade ineffizient ist.
Auf 32 Seiten, man mag die Amerikaner für ihren Mut zur Kürze, gibt der Geheimdienst Tipps dafür, wie Spione den Feind optimal schwächen können. Und die Kurzfassung ist:
Sei einfach so, wie untalentierte Chefs in Österreich arbeiten.
Mach alles über die offiziellen Kanäle. Lass nie zu, dass Abkürzungen genommen werden, um Entscheidungen zu beschleunigen.
Halte Reden. Spreche so oft wie möglich und sehr ausführlich. Illustriere deine Punkte durch lange Anekdoten und Berichte über persönliche Erfahrungen.
Wenn möglich, verweise alle Angelegenheiten an Ausschüsse zur weiteren Untersuchungen und Prüfungen. Diese Ausschüsse sollten so groß wie möglich sein – aber niemals weniger als fünf Personen.
Irrelevante Themen solltest du so häufig wie möglich diskutieren.
Feilsche um den genauen Wortlaut von Mitteilungen, Protokollen und Beschlüssen.
Mach Themen nochmal auf, die eigentlich im letzten Meeting abgehandelt wurden und frage, ob es sinnvoll wäre, Entscheidungen zu revidieren.
Plädiere immer für „Vorsicht“ und „Vernunft“. Fordere alle auf, unnötige Eile zu vermeiden. Das könnte nur zu Peinlich- oder Schwierigkeiten führen.
Beachte immer die Zuständigkeiten und frage dich, ob du überhaupt selbst etwas tun kannst – oder ob das nur den Konflikt in der Organisation schüren würde.
Wer diese Tipps berücksichtigt, ist also laut CIA in der Lage, den Feind stark zu schwächen. Es ist also kein Zeichen, dass viele von euch Kollegen und Chefs in diesen Zeilen wiederfinden.
Und das ist nur der generelle Teil. Es gibt auch einen dafür, was man als Manager zu tun hat. Alles muss prinzipiell schriftlich kommen, und du wirst es falsch verstehen. Du wirst unnötig viele Fragen stellen, dich hauptsächlich um die unwichtigen Dinge kümmern und die wirklich wichtigen Arbeiten an die geben, die sie nicht können. Das sind die, die du für ihre schwache Performance auch beförderst, weil du sie magst. Rings a bell, anyone?
Das heißt natürlich nicht, dass alle Chefs furchtbar sind.
Aber ich glaube, das CIA Handbook zeigt, dass zu viele Prozesse, Overthinking und das sich-selbst-zu-wichtig-nehmen riesige Gefahren für die Effizienz einer Organisation sind.
Und ja, nicht alle Prozesse sind schlecht. Leute wie ich genießen das freie Arbeiten ohne sie solange, bis eine organisierte Person in die Organisation kommt, die einen Prozess braucht, um zu arbeiten. Und ab einer gewissen Größe lässt sich das auch nicht mehr vermeiden.
Wichtig ist nur, den Prozess nicht zum Sinn der Sache an sich zu machen. Meetings, die nur stattfinden, damit man regelmäßige Meetings hat, sind Zeitverschwendung. Freigaben, die nur passieren müssen, damit jemand den eigenen Status bestätigt bekommt, stehlen allen nur Zeit und Nerven. Übertriebener Perfektionismus, Micro-Management in Bereiche, die eigentlich gut laufen und Leute, die über jede Entscheidung zu lange reden wollen – diese Dinge bestimmen unser Arbeitsleben, und sie sabotieren es genau so, wie die CIA sagt.
Ich für meinen Teil bin froh, dass mich das alles nicht betrifft. Aber weil ich gerade sehe, wie viele meiner Freunde an ihren Jobs kaputt gehen, die genau mit diesen Problemen kämpfen, kam es mir angemessen vor, das CIA Handbook mit einer etwas größeren Öffentlichkeit zu teilen.
Damit zurück an die Arbeit
Noch mehr Lesestoff
🏦 Eines meiner wichtigeren politischen Anliegen: Keine Vollzeit ohne Aufstiegsversprechen. Ich verstehe, warum viele gerade darauf drängen, dass es mehr Vollzeit-Arbeit braucht, weil wir immerhin einen Arbeitskräftemangel haben. Auch wenn ich die Idee einer Arbeitszeitverkürzung generell sympathisch finde, ist wohl jetzt nicht die beste Zeit dafür. Aber ein Punkt war mir da noch wichtig: Wenn der Unterschied zwischen Voll- und Teilzeit keinen deutlichen Wohlstandsunterschied macht, wird sich auch nichts ändern.
📊 Neuer Vertrauensindex. Historisch gibt es eher einen Bonus, wenn eine neue Person in ein politisches Amt kommt. Der neue SPÖ-Chef Babler steigt aber weniger rosig ins Vertrauensranking ein: Er liegt bei einem negativen Vertrauenssaldo von -14. Fairerweise muss man dazusagen, dass das Vertrauen in die Politik generell gering ist: Nur drei haben überhaupt einen positiven Saldo, und einer davon ist immerhin der Bundespräsident.