Es war schon mal leichter, rechts zu sein. In der Corona-Krise performen die Rechtspopulisten katastrophal, für böse Ausländer interessiert sich gerade keiner, die Provokationen funktionieren nicht mehr wie früher und Flüchtlinge kommen auch immer weniger. Logisch also, dass sich die Rechten nach jetzigen und kommenden Wahlschlappen fragen müssen, wie es weiter geht.
Ist der Rechtsruck jetzt endlich vorbei?
In den letzten Jahren konnte man in vielen Ländern einen Trend beobachten: Die Konservativen, hier jetzt verstanden als klassische “Mitte rechts”-Parteien, die oft auch noch (warum auch immer) “christlich-sozial” genannt werden, haben die Themen von Parteien übernommen, die weiter rechts standen als sie selbst. Sebastian Kurz ist dafür nur ein Beispiel - er hat mit einem FPÖ-Programm die 2017er-Wahl gewonnen -, aber auch Boris Johnson surft auf der Brexit-Welle, ist aber nicht bei der Brexit Party.
Jetzt sehen die Ergebnisse langsam anders aus: In Frankreich gibt es eine “Green Wave”, bei uns sind die Grünen in der Regierung und der langweiligste Politiker der Weltgeschichte, Joe Biden, könnte wirklich Präsident werden. Zeit, umzudenken, wenn man nicht untergehen will.
Die These und Hoffnung, die ich in diesem Update schon öfter anklingen lassen habe - zum letzten Mal am Wahltag in Polen - ist die, dass dieser Spuk mit dem Rechtsruck jetzt bald seinen Peak überschritten hat. Die FPÖ ist in Umfragen wieder relativ irrelevant, in Polen könnte das System PIS bröckeln und auch für Trump sieht es gerade nicht gut aus. Und wenn das stimmt, müssen diese Parteien sich überlegen, wie sie wieder nach oben kommen. Eine Diskussion, die wir unbedingt live verfolgen sollten.
Zukunftsoptionen für die Rechten
In vielen Ländern stehen die Rechten jetzt vor der Entscheidung, wie sie wieder zurück zur Relevanz kommen, nachdem sie stark verloren haben. Dafür haben sie im Wesentlichen vier Optionen:
Alles bleibt, wie es ist: Die Rechte hat in den letzten Jahren mit dem Anti-Ausländer-Wahlkampf extrem gute Ergebnisse erzielt - wer sagt, dass das nicht bald wieder in Mode kommt? Diese Frage stellen sich viele Rechtsparteien gerade, in Frankreich werden wir es wohl nochmal austesten müssen. Dagegen spricht nur, dass Menschen mit Migrationshintergrund in westlichen Gesellschaften immer weniger “besonders” sind - wir alle haben in unserem Umfeld einige Freunde aus dem früheren Jugoslawien (außer man arbeitet bei einem österreichischen Medium). Und damit sinkt auch der Teil der Wähler, die man mit Xenophobie ansprechen kann, mit der Zeit automatisch - Progress.
Compassionate Conservatism: Der letzte Republikaner, der bei einer Präsidentschaftswahl die meisten Stimmen erhalten hat - George W. Bush - hatte 2004 eine etwas andere Strategie als Trump. Er zielte nicht auf die Hardcore-Rassisten, sondern sprach von border security - einem Euphemismus für “keine Einwanderer”, mit dem moderate Konservative ihr Gesicht wahren können -, und zielte gleichzeitig auf die oft katholisch geprägten, konservativen Latinos. So gingen die Republikaner zwar auf Minderheiten zu, mussten sich aber nicht zu schwarzen Menschen bekennen und konnten das Feindbild mit rhetorischen Floskeln auf Distanz halten. (Mehr zu dieser Strategie hier im FIVETHIRTYEIGHT-Podcast.)
Weiter Richtung Wahnsinn: In eine andere Richtung dürfte die FPÖ gehen. Wie ich hier schon mal beschrieben habe, gehen die Blauen gerade stark auf die Impfgegner und Verschwörungstheoretiker zu. Praktisch, denn die Kernwählerschaft der FPÖ - niedriges Bildungsniveau, tendenziell fremdenfeindlich oder klassische “Protestler” - überschneiden sich stark mit dieser Gruppe. Man muss nur die Facebook-Kommentare unter Medienberichten zu Corona in Österreich checken, um zu sehen, dass dieses Publikum existiert - die billige, aber verantwortungslose Lösung ist, die einfach abzuholen, wenn man ihnen ohnehin schon am nähsten ist.
Spaltung: Das ist noch eher die theoretische Option, die sich Progressive nur wünschen können. Angenommen, Trump verliert die US-Wahl im November - wenn ein Flügel der Partei dabei bleibt, dass das Chaos der letzten Jahre unterm Strich eine gute Idee war, könnte es zur nachhaltigen Spaltung der Partei kommen. Und wenn es zwei republikanische Parteien gibt, gewinnen die Demokraten. Das zeigt sich auch in Österreich: Während bei jeder Wahl neue linke Splittergruppen kandidieren, hält die ÖVP zusammen, obwohl in ihr genug Flügel für mehrere Parteien wären: Die Wirtschaftsliberalen, die Wertkonservativen, die ideologiebefreite Kurz-Partie …
Ausblick
Warum ist das wichtig? Weil man als liberaler Mensch rechtzeitig erkennen muss, welche Strategien die Rechten verwenden. 2017 konnte Strache nur Vizekanzler werden, weil die FPÖ jahrelang das Spiel der Parteimedien auf Social Media gespielt hat, ohne dass andere es ernst genommen haben. Den nächsten Schritt des Gegners zu kennen ist wichtig für die politische Konkurrenz, um zu verhindern, dass der nächste Ibiza-Politiker an die Macht kommt.
Darum müssen wir auch beobachten, ob die FPÖ wirklich ins Verschwörer-Eck geht und ob sich die Republikaner nächstes Mal doch für Mitt Romney entscheiden, der sich gerade als anständige Alternative zu Trump positioniert. Gleichzeitig wäre es zu optmistisch, die Rechten jetzt schon komplett abzuschreiben: Denn wie bei Corona sieht es mit dem Rechtsruck zwar so aus, als würde es besser werden, aber es ist noch nicht vorbei. Die US-Wahl 2020 und die nächste Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022 werden wichtige Meilensteine sein. Aber auch die Leute hinter Trump und Le Pen fragen sich sicher schon, was passiert, wenn sie es auch diesmal nicht schaffen.
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Uuund übrigens: Falls mich jemand fragt, ob dieser Text backfiren könnte …
PS: Ich denke, dies hängt im Prinzip halt auch immer vom jeweiligen Themenbereich ab, denn viele Türkisen sind eben auf der einen Seite wertkonservativ, sprich gesellschaftspolitisch klar konservativ, während sie auf der anderen Seite in Wirtschaftsfragen eher liberal sind.
War zwar nicht das Haupt-Thema, aber "ideologiebefreite Kurz-Partie" - sehen Sie das immer noch so?
Kann Ihnen das Buch von Klaus Knittelfelder sehr empfehlen, das zeigt: die Kurz-Partie ist eben nicht wie oft angenommen ideologiebefreit und beliebig, sondern sehr wohl wertkonservativ, teils stramm konservativ. In Wirtschaftsfragen kann man Ihnen keine klare Ideologie/Linie attestieren, das stimmt, da agieren sie einmal wirtschaftsliberal, dann wiederum christlich-sozial bis sozialdemokratisch.
Wenngleich ich generell diese Entweder-oder-Einteilungen und ideologischen Zuschreibungen sowieso für überholt und zu kurz gegriffen halte, es ist doch häufig einfach ein Sowohl-als-auch, oder auch einfach mal irgendetwas dazwischen anstatt schwarz oder weiß.
Liebe Grüße