Ronald Reagan gegen Trump: Die Kunst der Attack Ads
Wie man mit einer 40 Jahre alten Rede Stimmung macht
Es ist der 3. November 1980. Ronald Reagan, der US-amerikanische Schauspieler, der zum Präsidentschaftskandidaten avanciert ist, wendet sich mit einer Rede an die Nation. Amerika sei nach wie vor geeint, stark, mitfühlend und auf der Seite derer, die verfolgt oder allein sind. Man muss Chancen für die jungen Menschen sicherstellen und am Glauben festhalten, um die shining city on a hill zu bewahren.
Am nächsten Tag steht fest: Ronald Reagan schlägt Jimmy Carter und gewinnt den Republikanern die US-Präsidentschaftswahl. Und 40 Jahre später wird seine Rede wieder auftauchen, um einen Republikaner aus dem Amt zu jagen:
Heute wird Reagans Rede zu einer starken Ansage gegen den Kurs, den die moderne republikanische Partei eingeschlagen hat. Nach zahlreichen politischen und diplomatischen Fehlern distanzieren sich sogar FOX NEWS-Ansager immer regelmäßiger vom Präsidenten, der in Umfragen teilweise zweistellig hinter einem der langweiligsten Demokraten ist, den die US-Geschichte je gesehen hat.
Kurz gesagt: Es Die perfekte Zeit, um Attack Ads zu schalten.
Die Kunst der Attack Ads
Der Österreicher kennt Attack Ads nicht wirklich, er kennt nur die “Schmutzkübelkampagnen”, die meist dann beschworen werden, wenn Journalisten darüber berichten, wenn die Regierung Fehler begeht. Attack Ads sind das nächste Level - es sind Videoclips, die explizit dazu da sind, den politischen Gegner schlecht aussehen zu lassen. In den USA, in denen ein Wahlkampf eine viel größere Materialschlacht ist und in denen jeder Kanal genutzt wird, gehören Attack Ads zum Standardarsenal jeder Partei. Und die gegen Donald Trump sind ganz großes Kino.
Man nehme die Reagan-Rede aus dem Einstieg. Im obigen Tweet hinterlegt ist die Rede des wohl beliebtesten Republikaners nach Lincoln, hinterlegt mit Bildern aus Trumps Präsidentschaft, die diese Message eindeutig konterkarieren. Diese Werbung soll keinen Wähler davon überzeugen, Joe Biden zu wählen. Sie soll Republikaner davon abhalten, für Donald Trump zu stimmen. Daher am Ende die Worte:
“Has your party left you?”
Gerade ein Politiker wie Trump bietet die perfekte Angriffsfläche für eine bewährte Strategie: Man kann seine vergangenen Aussagen einfach herzeigen und mit Kontext versehen, um ihn noch schlechter dastehen zu lassen. So leicht wie bei diesem Präsidenten in dieser Pandemie war das noch nie. Man nehme dieses Beispiel von Priorities USA:
Man muss Trump also nur reden lassen und gute Videos schneiden können, um eine Attack Ad zusammenzustellen. Diese Praxis ist in Österreich weit nicht so beliebt, aber wird in den USA auch von seinem offiziellen Gegner, Joe Biden betrieben. Schaut, wie Biden eine Aussage aus dem Trump-Wahlkampf meisterhaft neu interpretiert:
Aber das ist natürlich nicht die einzige Art, wie man Attack Ads aufziehen kann - auch, wenn sie in diesem US-Wahlkampf die dominante ist. Hier z. B. verweist das Lincoln Project subtil auf den Vorwurf, Trump wäre eine Marionette Putins:
Attack Ads sind unterhaltsam - und ein Problem
Das Problem mit Attack Ads ist das gleiche wie bei vielen anderen Problemen einer politischen Kultur: Sie funktionieren. Und wenn eine Seite schmutzig spielt, muss die andere mitspielen, oder sie hat einen Wettbewerbsnachteil. So ist nicht nur die Schlammschlacht in den USA zu verstehen, sondern auch, welche Nachrichten an wen geleakt werden oder wie die Parteienfinanzierung in Österreich durch die Hintertür funktioniert. Es ist ein Problem, aber wenn alle anderen es auch machen, kann man nicht einseitig abrüsten.
Als Staatsbürger müsste man eigentlich hoffen, dass sich die Kunst der Attack Ads in Österreich nicht durchsetzt. Wenn man nur noch über die persönlichen Schwächen der Kandidaten spricht und noch weniger über Inhalte spricht als ohnehin schon, kann das einer Demokratie kaum gut tun. Uns ist das wahrscheinlich eher erspart geblieben, weil die Parteien es bis jetzt nicht gut genug hinbekommen haben - aber aus der Sicht eines Kommunikators denke ich nicht, dass sich dieser Trend ewig aufhalten lässt. Auch wir werden wohl bald mehr über das Auftreten eines Politikers reden als über dessen Inhalte. Und vielleicht hat dieser Trend auch schon begonnen.
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