In der Theorie ist Demokratie eigentlich sehr einfach: Auf dem Marktplatz der Ideen setzt sich die beste durch, Parteien überzeugen die Bürger mit den besten Inhalten und im Endeffekt bekommt man immer das beste, was zur Verfügung steht.
Man muss kein Politikwissenschaftler sein, um zu wissen, dass das nicht die ganze Wahrheit ist.
Was in diesem Modell nämlich ausgeklammert wird, ist die Wirkung von PR im politischen Leben. Die Bürger treffen ihre Entscheidung nicht immer “rational”, maximieren also nicht ihren eigenen Nutzen auf Basis vollständiger Information. Die meisten wählen aus dem Bauch heraus, aufgrund von Inszenierung. Sebastian Kurz’ Wahlprogramm hat vermutlich weniger Menschen überzeugt als seine Inszenierung als “Macher” in der damals kaputten ÖVP, sein Image als Jungpolitiker einer “neuen Generation” oder einfach die Tatsache, dass er sich in Interviews meist ganz gut verkauft, ohne wirklich viel zu sagen.
Und wenn man das bedenkt, liegt der Verdacht nahe, dass man Wahlen kaufen kann.
Soll man PR-Budgets gesetzlich regulieren?
In eine ähnliche Richtung geht auch der Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell, der in einem Kommentar im STANDARD dafür plädiert, Regierungs-PR gesetzlich zu limitieren. Hier ein wichtiger Teil seines Arguments:
Die Regierung kann also die Kritik der Opposition an Regierungsvorhaben locker ignorieren, da mit hoher Wahrscheinlichkeit deren Darstellung bei weniger Menschen ankommt als jene der Regierung. Schlecht gemachte Gesetze sind eine der Folgen – mit Schaden für davon betroffene Menschen.
Dieser Darstellung wird man heute in Österreich nur schwer widersprechen können, aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Denn dass sich die Regierung mit ihren Botschaften auch in Leitmedien durchsetzt, liegt zwar auch, aber nicht nur an ihren hohen PR-Ausgaben: Es liegt auch an der Qualität.
Schon klar, Interview-Katastrophen von Klaudia Tanner und Christine Aschbacher gehören da nicht dazu. Nicht alles ist gesteuert, nicht alles ist meisterhaft, nicht alles fällt unter den inflationär verwendeten Begriff der “Message Control”. Aber generell hat die ÖVP nicht nur den Vorteil eines großen Budgets, sondern eben auch einfach professionelles Personal. Wann hat sich die Öffentlichkeit zuletzt so sehr für einen PR-Profi im Hintergrund des Kanzlers interessiert wie für Gerald Fleischmann? Das hat einen Grund.
Wie retten wir die Demokratie vor den Spins?
Man muss die ÖVP also handwerklich loben, genauso wie die Grünen ab und zu. Ich glaube aber nicht, dass die Menge an Geld alleine ihnen gute PR bringt. Um zu verhindern, dass sich die Regierung automatisch in den Medien durchsetzt, bräuchte es mehrere Dinge:
Die Opposition muss sich besser aufstellen. Das sieht man an der FPÖ, die ohne Heinz-Christian Strache mit den ewig gleichen Anti-Islam-Botschaften nicht mehr in die Gänge kommt, und vor allem an der SPÖ. Pamela Rendi-Wagner kommuniziert vor allem über Polit-Sprech, der niemanden begeistert, permanent gibt es partei-interne Streitigkeiten und wofür die Sozialdemokraten jetzt wirklich stehen, bleibt auch nach der Mitgliederbefragung ein Geheimnis. Budgets sind da nebensächlich - wenn keine Profis am Werk sind, kann sich die beste Idee nur schwer durchsetzen. Ich meine - wer inszeniert sowas?
Der Journalismus muss atmen können. Als jemand, der selbst vom Journalismus in die PR gewechselt ist, kann ich bestätigen, dass die Budgets in den Redaktionen vergleichsweise ausgedünnt sind. In weniger politischen Bereichen ist das kein Problem, aber Journalisten brauchen nach wie vor die Zeit, sich um eine innenpolitische Geschichte zu kümmern, ohne irgendwelche Spins zu übernehmen. Gegen einen Journalismus, der sich nicht korrumpieren lässt und der genug Ressourcen hat, scheitern falsche Spins im Optimalfall von selbst. Dafür wird es aber neue Geschäftsmodelle brauchen.
Es braucht ein besseres Medienverständnis. Das heißt, dass Politiker und Journalisten in der neuen Medienwelt ankommen müssen - oder, auf der politischen Seite, Personal dafür brauchen. Das heißt, dass wir als Bürger Medienkompetenz brauchen. Freunde von mir, die ich früher sehr geschätzt habe, senden mir Republikaner-Medien aus den USA als “Beweis” für europäische Probleme - wie passiert sowas? Im Endeffekt ist es nicht nur wichtig, wer Journalismus und PR macht, sondern auch, wie diese Inhalte konsumiert werden. Wenn die Bürger g’scheit genug sind, einen Spin zu durchschauen, wirkt er im Gegenteil sogar negativ. (Dazu will ich z. B. mit diesem Newsletter beitragen.)
Und was ist mit der Regulierung?
Generell könnte man Hausjells Vorschlägen viel abgewinnen - aber als gelernter Österreicher bin ich skeptisch. Die ÖVP schert sich bereits jetzt nicht um die Wahlkampfkostenobergrenze, und Spenden an dubiose parteinahe Vereine sind bei allen den großen Parteien gängige Praxis. Ein “PR-Budget pro Partei” wäre 1) vermutlich durch den Proporz so ausgestaltet, dass es wieder der Regierung hilft und 2) ohnehin zahnlos, da es genug Wege gibt, sie zu umgehen. Aber wer mir einen lückenlosen Vorschlag zeigt - für die Idee wäre ich offen.
Generell bin ich aber der Meinung, dass Geld in der Kommunikation zwar hilft, aber nicht alles entscheidet. Sonst gäbe es nicht zahlreiche neue Parteien in vielen europäischen Ländern, die z. B. in Italien, Spanien oder Frankreich nach kurzer Zeit schon regieren, die NEOS hätten es sonst wahrscheinlich nicht in den Nationalrat geschafft. In erster Linie ist es ein Qualitätsproblem, das wir sehen - und wenn sich der Kanzler-Spin mal wieder in den Titelseiten wiederfindet, ist das auch ein bisschen die Schuld all derer, die es nicht besser machen.
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