Die Wahl um Wien ist also geschlagen, und die SPÖ hat sie wie erwartet klar gewonnen. Es fühlt sich eigentlich ganz nett an, in einem Bundesland zu leben, in dem die NEOS stärker als die FPÖ sind. Aber man muss immer auch bedenken, was danach kommt. Statt einer Analyse, was sich bei der Wien-Wahl bewegt hat, schauen wir also heute in die Zukunft.
The Times, they are a-Changin’
Als ich angefangen habe, mich stark für Politik zu interessieren, war Werner Faymann Bundeskanzler. Das war die Zeit, in der die Regierung sich hauptsächlich darauf konzentriert hat, nichts zu verändern und SPÖ und ÖVP sich gegenseitig erfolgreich blockiert haben. Es war also kein Wunder, dass Wahl für Wahl die FPÖ der große Gewinner war.
Bei nahezu jeder Landtags-, Gemeinderats- oder Nationalratswahl konnten die Freiheitlichen mit Heinz-Christian Strache zulegen, und die ÖVP stürzte ab. Das war jahrelang der Trend. Aber in einer Demokratie mit ihren wechselnden Regierungskonstellationen können Trends nur schwer für immer weitergehen - und damit erleben wir jetzt endlich das Gegenteil: Der Rechtsruck ist vorbei.
Wer also jetzt beginnt, sich für Politik zu interessieren, wird auch in der Regel bei jeder Wahl das Gegenteil mitkriegen wie ich damals: Die FPÖ wird Wahl für Wahl verlieren, die ÖVP dafür jedes Mal dazugewinnen. So ist eben der neue Trend.
Szenarien für die Zukunft
Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass sich auch dieser Trend einmal umkehren wird. Wenn einmal alle neun Bundesländer die FPÖ für Ibiza und die schwarz-blaue Regierung abgestraft haben, wird sie vermutlich nicht mehr tiefer sinken. Und auch die Siegesserie der Sebastian Kurz-Wahlen wird irgendwann reißen - denn in Wien hat sich die ÖVP zwar verdoppelt, aber auch nur mit Sebastian Kurz-Bonus von einem Manfred Juraczka-Ergebnis ausgehend.
Für mich ist vor allem spannend, was das für die NEOS bedeutet. Bei jeder Wahl gewinnen sie leicht dazu - werden sie dann irgendwann endlich mal stark dazugewinnen? Oder muss man die Österreicher wirklich mit Baby-Steps an liberale Politik gewöhnen?
Auch spannend ist, ob die SPÖ irgendwann die Trendumkehr schafft. Das wirkt momentan ausgeschlossen, aber das wirkte es bei der ÖVP unter Michael Spindelegger auch. Bis dieser politische Talente wie Sebastian Kurz oder Harald Mahrer in die Politik gebracht hat, die heute die schwarze Reichshälfte dominieren. Für seine Personalpolitik muss man dem Spindi im Rückblick eigentlich dankbar sein. Ob Rendi-Wagner auch daran arbeitet?
Eine “neue” SPÖ könnte dann genauso gut den Trend umkehren, den die SPÖ jetzt in vielen (aber eben doch nicht allen) Ländern merkt. Unabhängig davon wird es wohl eine klarere Ausrichtung und einen neuen Kandidaten brauchen, um einen neuen politischen Konjunkturzyklus zu starten - das wären dann ungewohnterweise serienweise rote Wahlsiege. (Das wäre dann eher einen Ludwig als mit einem Doskozil - just my 2 cents.)
Alles kann passieren
Jedenfalls wäre es verfrüht, die FPÖ endgültig abzuschreiben - Ergebnisse wie in Wien sind eher eine temporäre Korrektur des Wählermarktes. Interessant wird, wer als nächstes die Partei aufbauen wird, um den nächsten Anlauf Richtung Höhenflug á la Strache oder Haider zu machen. Norbert Hofer oder Herbert Kickl sind nicht nur schon zu lange in der Politik und für zu viele negative Episoden bekannt - ich glaube auch einfach nicht, dass sie es können.
Die Zeit der großen FPÖ-Wahlniederlagen bricht also gerade an, die der Kurz-Wahlsiege will momentan noch nicht enden - aber es kann jederzeit sein, dass durch eine neue Wendung schon bald wieder ein neuer politischer Konjunkturzyklus anfängt.