Facebook sperrt Journalismus in Australien
Australien hat mit einem schlechten Gesetz versucht, Medien zu retten. It's not working.
Ich habe schon öfter über das Phänomen geschrieben, dass Journalisten soziale Medien fundamental missverstehen. Jetzt gibt es aber den ersten empirischen Beweis dafür, der sogar zu einem Gesetz geführt hat: Australien verpflichtet Plattformen wie Google und Facebook dazu, Medien zu bezahlen, wenn ihre Beiträge dort vorkommen.
Und jetzt werden viele von euch zurecht denken: What the fuck? Und mir leuchtet auch nicht ein, wie man als vernünftiger Mensch dazu kommen kann, auch noch Geld dafür zu fordern, dass man kostenlos genannt wird. Es ist das digitale Äquivalent dazu, dass der ORF von dir Tantiemen fordert, wenn du am Stammtisch erwähnst, was du gestern im Fernsehen gesehen hast. Eine völlig realitätsferne Forderung - abgesehen davon, dass sie auch wirtschaftlich sinnlos ist.
Die betroffenen Plattformen haben trotzdem ganz unterschiedliche Arten, damit umzugehen.
Google ist von seinem Kernprodukt - der Suchfunktion - abhängig und würde einen großen Teil dessen, was Leute suchen, entfernen müssen. Insofern ist es verständlich, dass sich der Konzern um einen Deal mit australischen Medien bemüht hat und brav zahlen wird, wenn in Zukunft Nachrichten auf Google News vorkommen.
Facebook allerdings ist nicht davon abhängig, weil Nachrichten laut Eigenschätzungen nur 4 % des Gesamt-Inhalts auf der Seite ausmachen. Daher tut Facebook aus meiner Sicht das einzig Richtige - und zahlt nicht.
Und auch, wenn ich Facebook wirklich nicht mehr so positiv gegenüberstehe wie früher - hier könnt ihr nachlesen, warum -, gebe ich Facebook mit dieser Entscheidung zu 100 % Recht.
Der Mehrwert von Social Media
Und bitte nicht falsch verstehen: Ich bin nicht dagegen, für Journalismus zu bezahlen. Medien müssen von etwas leben und sind durch die neue Situation am digitalen Werbemarkt in keiner rosigen finanziellen Situation. Aber das Missverständnis ist nun mal nicht Facebooks Problem: Wie kommt man als Plattform, auf der Menschen Dinge teilen, die sie interessieren, dazu, für deren Content bezahlen zu müssen?
Laut Facebook gab es alleine im letzten Jahr 5,1 Milliarden Zugriffe auf australische Nachrichtenseiten nur durch Postings und Werbungen auf Facebook. (Ob Instagram und WhatsApp da auch einkalkuliert sind, steht nicht dabei.) Diesen Wert beziffert der Konzern in einem Statement mit 407 Millionen australischen Dollar. Wie man diese Werbewertrechnung nun bewerten will, sei dahingestellt - Fakt ist, dass es für Medien möglich ist, kostenlos Millionen und Milliarden von Menschen zu erreichen.
Jetzt gibt es zwei Arten von Medienunternehmern:
Die einen sehen das als Chance und sehen ein, dass sie Social-Media-Redaktionen aufstellen müssen. Seit Jahren wird Journalismus auch über digitale Plattformen vermittelt - und wer clever ist, kann dadurch genug Klicks generieren, um Abonnenten zu sammeln oder den Werbewert der eigenen Plattform zu steigern.
Die anderen sehen Social Media als Bedrohung und hätten gerne die gute alte Zeit zurück, in denen statt Facebook eine Zeitung gelesen wurde. Dass beide Medien nebeneinander leben können und dass kein Social-Media-Konzern Zeitungen ersetzen wird, verstehen sie nicht. Leider genauso wenig, dass sie literally free money bringen können.
Und ich glaube, zwischen diesen beiden Kategorien kann man eine Linie ab einem gewissen Alter ziehen.
Die Konsequenzen des neuen Gesetzes
Was passiert jetzt also? Kurz gesagt ist Facebook für australische Medienunternehmen nicht mehr existent.
Medien aus Australien können keine Inhalte mehr auf Facebook teilen und verlieren so ihren kostenlosen Zugang zu Millionen von Menschen, die mit ihren Klicks zu potenziellen Abonnenten werden oder Werbung auf der Seite sehen könnten.
User in Australien können keine Nachrichten-Inhalte mehr teilen oder sehen. Das bedeutet, dass ein Land mit 25 Millionen Einwohnern das größte soziale Netzwerk der Welt nutzt, ohne dort auf Journalismus stoßen zu können. Das wird sicher keine schirchen Nebeneffekte für die Demokratie haben.
Wir in Austria, not Australia, können aber nach wie vor News-Beiträge teilen. Aber eben keine aus Australien. Und wenn wir Nachrichten an sich teilen, z. B. aus österreichischen Medien, werden Australier sie niemals sehen können.
Und ja, ich hab das natürlich gleich ausprobiert. Das passiert, wenn ich news.com.au teilen will:
Australien ist ein Informations-Super-GAU
Für ganz Australien ist dieses Outcome eine Katastrophe. Medien werden enorm viel Klicks verlieren, bekommen gleichzeitig nicht mehr an Gewinnen rein und verlieren dadurch sowohl am Werbe-, als auch am Lesermarkt. (Auch, wenn durch kurzfristige Solidarisierung sicher einige neue Abos reinkommen werden.) Gleichzeitig dürfte diese ganze Geschichte auch kein großer Imagegewinn für die Medienbranche sein - irgendjemand muss ja auf die Idee gekommen sein, dass man dafür bezahlt werden sollte, erwähnt zu werden.
Aber nicht nur die Medien verlieren, sondern auch die Gesellschaft. Wenn so viele Menschen ihren niederschwelligen Zugang zu Nachrichten verlieren, werden sie weniger informiert sein - gerade auf einer Plattform, die auch mit Journalismus als Konkurrenz schon mit Desinformation und politischer Propaganda kämpft. Der informierte Bürger ist aber ein Grundpfeiler der Demokratie. (Und ja, wir können diskutieren, inwiefern diese Vorstellung noch aktuell ist.)
Durch Facebooks Blackout demonstriert die australische Medienbranche globale Trends im Missverständnis sozialer Medien. Der Preis könnte nicht nur sein, dass es australischen Medien schlechter geht als zuvor, sondern dass Klimawandel-Leugner, Verschwörungsideologen und Rechtsradikale den Platz einnehmen, den früher eine Zeitung oder ein Fernsehsender in den News Feeds eingenommen hätten.
Wir sollten genau beobachten, wie es in Australien weitergeht - und es als Warnzeichen nehmen, wenn das nächste Mal jemand einen “Kampf gegen die Silicon-Valley-Giganten” fordert. Denn Facebook ist nicht daran Schuld, wenn Medien ihr Geschäft mit schlechten Gesetzen retten wollen.