Morgen ist Wahltag. Was heißt, dass ihr in den letzten Wochen wahrscheinlich 70 Trillionen Werbungen bekommen habt, die euch informieren, wen ihr wählen sollt. Hier ist meine.
Statistisch gesehen ist es unwahrscheinlich, jetzt noch Unentschlossene, die dann erst in der Wahlkabine entscheiden, mit genau diesem 70 Trillionen +1’ten Newsletter zu erreichen. Aber ich hab mir was überlegt.
Als jemand, der bei einer Partei arbeitet, bin ich quasi permanent unter Verdacht, nur etwas verkaufen zu wollen. „Der lügt mich ja an“ ist ein Vibe, der gerade im persönlichen Gespräch öfter mitschwingt als im Wahlkampf. Was komisch ist – denn gerade am Wahlkampfstand geht es ja wirklich um aggressives Überzeugen, meine Freunde dagegen bleiben auch meine Freunde, wenn sie andere Parteien wählen.
Darum dachte ich, in klassischer Tradition meiner losen Serie „Lasst euch nicht verarschen“ (die ich in diesem Wahlkampf beschämenderweise ignoriert hab) liefere ich auf diesem Kanal nur „No-Bullshit-Gründe“. Heißt: Ich spare Parteinarrativ, taktisches Wählen und Punkte, bei denen ich über andere biased schreibe, bewusst aus. Ich werde keine Argumente bringen, die ich nicht für 100 % redlich halte, und damit quasi den „harten Kern“ meines Wahlarguments, das ich auch bringen würde, wenn ich mit NEOS nicht persönlich zu tun hätte.
Also without further ado: Meine drei Gründe, warum ich NEOS für die beste Wahl halte.
1. Nur NEOS spricht die wichtigen Themen an.
Was sind die wichtigen Themen unserer Zeit? Wenn man Experten fragt, nennen die oft Beispiele, die sich nicht mit dem politischen Diskurs decken. Zuletzt ist mir das im Podcast „Servus Gruezi Hallo“ aufgefallen, in der Florian Gasser von den Österreich-Seiten der ZEIT aufzählt, was eigentlich die wichtigen Themen wären.
Seine Antwort: Bildung, Pensionen und Außenpolitik. Und damit weiß man eigentlich auch schon, wen Florian Gasser wählt. Genau wie man es bei Florian Klenk weiß, der öffentlich sagt, dass er anhand von Bildungs- und Außenpolitik entschieden hat, wer in eine Dreierkoalition kommen soll. Es ist bezeichnend, dass man bei diesen Themen nur an eine Partei denkt: Die NEOS.
Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass die beiden Beispiele nur die Themen wichtig finden, aber ganz anders beurteilen können. Außenpolitisch überzeugend heißt für manche „Wenn ich Putin nicht sehe, sieht er mich auch nicht“ – dann kann man mit dem Argument auch SPÖ oder FPÖ wählen. Es geht mir auch gar nicht darum, dass wir die Journalistenlieblinge sind, sondern um die Assoziation: Wem das wichtig ist, der kommt an uns fast nicht vorbei.
Und das gefällt mir schon immer an NEOS: Der Mut, auch die unpopulären und schwierigen, aber notwendigen Themen anzugreifen.
„Mit Bildung gewinnt man keine Wahlen“, sagt man, und doch hängt alles andere an guter Bildung: Wie gut wir uns auf die Zukunft vorbereiten, wie stark unsere Wirtschaft bleibt, wie sicher Österreich ist.
Jeder will eine gute Pension, aber keiner will darüber reden, was es für ein Pensionssystem braucht, das auch noch in zwei Generationen hält. Da geht es um Klientelpolitik statt um die Zukunft.
Und selbst wenn 100 % der Österreicher überzeugt sind, dass die Neutralität uns schützt: Das tut sie einfach nicht. Und es gibt nur eine Partei, die sich traut, das laut zu sagen, und eine konkrete Vision hat, um das zu ändern.
Genau das hat mich schon 2013 bei NEOS gecatcht: Als niemand über Bildung geredet hat, haben sie das Thema gesetzt. Und auch wenn es kein Programm ist, in dem man in der populismusverwöhnten Republik (noch) keinen Kanzleranspruch stellt – es ist absolut richtig so. Das ist einer der drei Gründe, warum ich NEOS wähle.
2. NEOS kann Klimaschutz.
Wer diesen Newsletter schon länger verfolgt, weiß, dass ich Klimaschutz für das wichtigste Sachthema unserer Zeit halte: Wenn wir das nicht lösen, können wir uns alle anderen Themen sparen.
Wenn wir den Klimawandel nicht schnell auf ein einigermaßen berechenbares Ausmaß zurückstutzen, wird ein Jahrhunderthochwasser bald zum normalen Hochwasser, Hurricanes kommen nach Europa, die Waldbrand-Saison macht weite Landstriche im Süden unbewohnbar. Die Mega-Zuwanderung, die dadurch einsetzt, wird noch eines der kleineren Probleme sein.
Auf der Meta-Ebene ist das wichtigste Thema übrigens das sinkende Vertrauen in die Politik und die Tatsache, dass die staatsbürgerschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung nicht mehr aufgeht, worüber ich hier geschrieben habe:
Und für mich ist extrem wichtig, eine Partei zu unterstützen, die im Bereich Klimaschutz liefert.
Dabei gäbe es genug Anlass für eine liberale Partei, das nicht zu tun. Andere liberale Parteien in Europa, die heutzutage eher unter „nach unten treten“ fallen und deswegen namentlich verschont bleiben, positionieren sich da ja ganz anders: Sie deuten das Auto mit Verbrennungsmotor zu einer Grundfreiheit um, wollen klimaschädlicher Industrie ein „weiter wie bisher“ ermöglichen und halten Wirtschaft und Umwelt für einen Widerspruch.
Genau das Gegenteil ist der Fall: Das einzige was teurer ist als Klimaschutz – ist kein Klimaschutz. Oder wie der (dem Neoliberalismus unverdächtige) FALTER schreibt: „Der Klimaschutz könnte uns reich machen.“
NEOS hat Lösungen in diesem Bereich, die ich für extrem g’scheit halte. Ein höherer CO2-Preis, der mit einer Steuerreform begleitet wird, sodass niemand schlechter aussteigt, aber viele besser, wenn sie sich klimaschonend verhalten. Gesetze, die den Staat zum Klimaschutz verpflichten, aber Spielraum und Prioritätensetzung zulassen. Ein Umbau unseres Energie- und Verkehrssystems, der nicht auf „wenn nur jeder mitmachen würde“ basiert, sondern zuerst die Möglichkeit schafft und dann Anreize setzt. Und das Bewusstsein, dass sich auch Anpassungs-Maßnahmen rechnen.
Für mich wäre es unmöglich, eine Partei zu unterstützen, die den Klimawandel leugnet, beim Klimaschutz bremst oder sonst wie verharmlost. Dass NEOS da extrem stabil ist, zeigt auch unsere Regierungsbeteiligung in Wien: Dort gibt’s jetzt ein Klimaschutzgesetz, das ich für eine richtig gute Idee halte.
3. Liberalismus ist ganz einfach geil
Der letzte Grund ist ein ideologischer, aber nicht weniger ernst: Ich bin einfach ein Liberaler.
Für mich heißt liberal zu sein, in einer Demokratie und einer freien Marktwirtschaft zu leben. Wo wir die Wahl darüber haben, wer uns regiert, und Politiker für die Konsequenzen ihrer Taten geradestehen müssen. Wo es funktionierende Medien gibt, die politisches Handeln kontrollieren, und eine informierte Bevölkerung, die sich auch zivilgesellschaftlich einbringt. Und wo du wir unser Leben so gestalten können, wie wir es wollen – nicht, wie der Staat es will.
Liberal zu sein heißt, dass es so etwas wie „Privatsache“ gibt. Dass jeder seine Religion haben kann, aber seine eigenen religiösen Regeln nicht anderen aufdrängen darf. Dass jeder lieben kann, wen man will, dass man sich anziehen kann wie man will, dass man sein Leben frei gestalten kann. Das ist, was ich „gesellschaftsliberal“ nenne.
Aber liberal zu sein heißt auch, zu wissen, dass man nur Geld ausgeben kann, das man auch wirklich hat. Dass man nicht schaut, dass alles reguliert ist, sondern erstmal fragt, was reguliert werden muss. Dass man weiß, dass generell der Markt, die Menschen selbst, ihre Probleme besser lösen können als der Staat, aber auch, dass das nicht immer so ist. Diese Abwägung ist fundamental. Und es heißt auch, dass man die ewige Schuldenmacherei als das sieht, was sie ist: Ein Verbrechen an der nächsten Generation. Das nenne ich „wirtschaftsliberal“.
Das klingt alles sehr basic, ja, aber es unterscheidet NEOS schon. Klar, auch die Grünen und die SPÖ sind pro LGBTIQ-Rechte – aber wirtschaftspolitisch sind sie ganz anders, wollen Preisbremsen (die nicht funktionieren) und neue Steuern. Und ja, die ÖVP (und, rein theoretisch, auch die FPÖ) werben mit wirtschaftsliberalen Punkten, aber sind gesellschaftlich stockkonservativ. Nur NEOS ist in beiden Bereichen wirklich liberal.
Und sonst noch?
Ich hätte noch unzählige Gründe, die ich gerne anführen würde. Aber ich glaube, das würde den Newsletter für alle, die nicht eh schon Parteikollegen sind, uninteressant machen. Wir könnten über konkrete Ideen einer Bildungsreform reden, über die Tatsache, dass wir in Wien wirklich unsere Versprechen halten – aber ich lasse das jetzt, weil ich auf eine Sache noch eingehen muss. Und zwar die des taktischen Wählens.
Zum ersten Mal in der Geschichte von NEOS ist es auch taktisch sinnvoll, für uns zu stimmen. Und ich tu mir schwer mit dem Argument, weil ich eigentlich immer noch glaube, dass taktisches Wählen schlecht ist. Wer die Liste Madeleine Petrovic im Parlament sehen will – die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person diesen Newsletter liest, ist sehr gering, darum erlaube ich mir das Beispiel –, sollte das immer noch tun. Ich bin überzeugt, dass neue Parteien, wenn sie wirklich ein Programm haben, der Demokratie gut tun können.
That being said: Im Wahlkampf kommen trotzdem immer wieder Leute auf mich zu und fragen, was man tun muss, um Herbert Kickl zu verhindern. Und darauf gibt es zwei Antworten. Beide sind ehrlich, aber eine ist noch dazu taktisch.
Die ehrliche Antwort: Um Herbert Kickl zu verhindern, muss man einfach eine Partei wählen, die nicht FPÖ oder ÖVP heißt. FPÖ, weil man ihn damit stärkt, die ÖVP, weil sie jedes Mal, wenn sie die FPÖ ausschließt, direkt danach mit ihr koaliert. Kennen wir aus Niederösterreich, kennen wir aus Salzburg, und wird von der Ex-Generalsekretärin Laura Sachslehner bereits explizit so ausgesprochen. Eine Stimme für eine dieser Parteien bedeutet Schwarz-Blau – oder eben Blau-Schwarz.
Die taktische Antwort: Es gibt momentan de facto nur zwei Optionen: Eine Koalition à la „Ibiza 2.0“, in der wir neben rechter Showpolitik hauptsächlich Korruption erleben werden – oder eine Reformkoalition. Die Grünen werden in keiner Regierung sein, die ÖVP wird fix in einer sein, und Rot und Schwarz alleine bedeutet Stillstand. Das heißt: Wer Ibiza abgeneigt ist, kann eigentlich nur NEOS wählen.
Welches dieser Argumente für euch wichtig ist, sei euch belassen. Und ich betone: Man sollte nicht für das geringste Übel wählen, sondern für die größte Chance. Und für mich ist eben ganz klar, was das ist. Damit beende ich diesen letzten Newsletter im Wahlkampf, weil ich jetzt selbst noch wahlkämpfen gehe – die letzten Stunden werden entscheidend sein. Wenn ihr Fragen habt oder einfach nur zu NEOS diskutieren wollt: Antwortet einfach auf diesen Newsletter! Ab nächster Woche gibt’s dann wieder etwas weniger Wahlkampf auf diesem Kanal.
Bis dahin: You know what to do! ✌️
Noch mehr Lesestoff
🤨 Alle gegen Babler? Auf sozialen Medien richten die Sozialdemokraten schon aus, dass da eine mediale Verschwörung gegen Andreas Babler im Gange ist. Das wird sicher noch ein Thema für nach der Wahl, über das ich mich lang und breit auskotzen könnte – aber alles Wesentliche dazu hat Christian Nusser geschrieben.
🤝 ÖVP bereitet Schwarz-Blau vor. Kommt nicht von mir, sondern von Josef Votzi in der besten Innenpolitik-Gossip-Kolumne des Landes. Und es wäre ja auch keine Überraschung, wenn das wirklich so wäre: Die ÖVP und die FPÖ sind in vielen Bereichen mittlerweile deckungsgleich.
🤓 Und für alle, die noch nicht genug Politik für heute haben: Hier könnt ihr unser Programm nachlesen! Es heißt „Reformen für dein neues Österreich“.
Stuff aus dem Internet
Ein Video, in dem ich ein bisschen ausschaue wie mein Opa.
Für NEOS Wien haben wir einen etwas anderen Wahlaufruf produziert, und mit Aging-Filtern geht das alles mittlerweile easy. Hier auf Instagram.