Ihr habt es sicher mitbekommen: Montagabend war Facebook down. Und damit auch alle damit verbundenen Plattformen, also auch Instagram und WhatsApp.
Ich arbeite viel mit sozialen Medien. Sehr viel. Mehr, als mir manchmal recht ist. Und als PR-Berater mit Social-Media-Kommunikation Geld zu machen, das heißt eben auch oft “Facebook und Instagram”. Es sind die zwei Default-Optionen, die gelben Seiten des Internets, auf denen man unbedingt sein muss, weil man es sich nicht mehr leisten kann, nicht dort zu sein.
Und trotzdem war mein erster Reflex, als Facebook down war … erleichtert?
Wie es ohne Facebook läuft
Mein erster Reflex war der gleiche wie der von unzähligen anderen Leuten: Erstmal auf Twitter und darüber reden, dass Facebook down ist. Twitter hat den Ansturm auch schnell bemerkt.
Und für meine Tagesfreizeit ist der Facebook-Konzern auch erstaunlich irrelevant geworden. Die sozialen Medien, die mir am meisten Spaß machen, sind Reddit und TikTok, am meisten Zeit verbringe ich mit Twitter. Meine Freunde haben mir über Signal oder Discord geschrieben, ich hab sogar die ein oder andere SMS (!) bekommen. Es geht also ganz gut ohne Facebook, wer hätte das gedacht?
Was mir etwas zu denken gibt: Wie oft ich instinktiv die Instagram-App geöffnet habe, obwohl ich 1) eigentlich wusste, dass sie down ist und 2) mit Instagram weniger Spaß habe als früher.
Ich glaube, das fasst auch gut zusammen, warum es Jubelstimmung gab, als das größte und wahrscheinlich nach wie vor beliebteste Social Network der Welt nicht erreichbar war: Der Umgang mit Facebook und Instagram fühlt sich irgendwie gezwungen an. Netzwerke profitieren durch ihre Größe. Je mehr Menschen wir damit erreichen können, desto nützlicher werden sie für uns. Aber das Zuckerberg-Imperium fühlt sich mittlerweile als “too big to fail” an, als systemrelevant, gewissermaßen als die kritische Infrastruktur aller Online-Kommunikation. Wenn wir nicht auf Facebook sind - wo sind wir dann?
Facebook ist zum Zwang geworden
Diese Frage mag zwar für viele persönlich leicht beantwortbar sein, es soll ja auch noch Leute geben, die nicht permanent online sind. Aber es gibt keine allgemeingültige Antwort. Diese ist nämlich in den allermeisten Fällen eben: Facebook oder Instagram.
Das ist die Stärke der Strategie, alle Funktionen sozialer Medien abdecken zu wollen. Instagram ist, wie auch Unternehmenschef Adam Mosseri sagt, längst keine “Fotosharing-App” mehr, sondern auch eine Video-Plattform. Wo früher nur ein Post mit einer schlechten iPhone-Kamera und Filtern möglich war, sind heute Posts, Stories, Reels, Live-Videos und Online-Shops. Statt unseren Facebook-Status mit “Was machst du gerade?” zu aktualisieren, posten wir Bilder, Videos, Events, Livestreams, spielen Spiele, suchen Jobs, rufen zu Spendenaktionen auf, nutzen das COVID-19 Information Center usw. usf. Kurz: Wir können alle Funktionen nutzen, die Social Media kennt. (Der nächste Schritt werden Facebook Reels sein.)
Andere Plattformen machen das anders. Twitter bietet mir keine Gaming-Funktion, aber ist dafür klar definiert ein Microblog, ein Kurznachrichtendienst. TikTok ist für vertikale Videos, und für nichts anderes. Reddit ist für anonyme textbasierte Diskussionen. Dass diese sozialen Medien so klar definiert sind, heißt zwar, dass ich sie nicht für alles nutzen kann und meinen Kunden auch nicht empfehle, auf ihnen zu sein. Aber sie machen einfach Spaß. Nicht umsonst boomt Reddit gerade.
Die Strategie, aller abzudecken, heißt aber auch: Dass wir auf Facebook sind, weil jeder dort ist, und nicht, weil es großen Spaß macht. Die zwei TikToks, die ich bisher gemacht habe, waren gefühlt mehr “Social Media” als alles, was ich in den letzten drei Jahren auf der blauen Seite aufgeführt hab. Facebook selbst heißt für mich mittlerweile nur noch recycelte Memes von TikTok und Twitter, Ad-Schaltungen an nicht mehr ganz so Junge und Corona-Leugner in den Kommentaren.
Und trotzdem ist es einfach zu relevant, um irgendjemandem zu empfehlen, nicht auf Facebook zu sein. Wo sollen Unternehmen denn kommunizieren, wenn nicht dort? Tech-Journalist Casey Newton bezeichnet Facebook z. B. schon als “kritische Infrastruktur”:
It was the company’s biggest outage in more than two years. But the company also saw significant outages last December, in March, and then again in April. None lasted as long as this one, but each of them pointed — as did today’s — to the essentially fragile nature of the web.
Of course, any time a big-but-mostly inessential service goes down, Twitter explodes with jokes and memes. (I may have cracked a few myself.)
But as plenty of others noted, Facebook services are essential infrastructure in much of the world, both for communications and for commerce. For a lot of us, six hours without Facebook is a minor curiosity on a Monday morning. But what if today had been Election Day? What if a natural disaster was unfolding somewhere on the planet? What if the outage just lasted a few more hours?
Facebook profitiert davon, dass ausnahmslos jeder zumindest eine Funktion sehr praktisch findet. Beruflich ist das bei mir der Facebook Ad Manager - kein anderer bietet mir die Targeting-Möglichkeiten, die mir diese Plattform bietet. Privat sind es Facebook Events für den Verein. Andere nutzen es, um über Politik zu diskutieren, und wieder andere, um die Fotos der Enkel zu sehen. Und so gut wie jeder hat einen Use Case, der auf Twitter oder TikTok eher schwierig wäre. Das zeigt, wie stark dieses Netzwerk schon ist, und warum es trotz aller Probleme nach wie vor so gut funktioniert.
So erkläre ich mir jedenfalls, dass #facebookdown auch für Jubel sorgte. Das soziale Netzwerk mag praktisch sein - aber es fühlt sich schon lange viel zu gezwungen an. Vielleicht wird es einen Tag geben, an dem wir doch endlich alle auf eine Alternative umsteigen.
Bis dahin: Find me on Twitter.
Wenn euch das Genre “Facebook-nervt-Text” gefällt, I got some more: