JOSEPH FUCKING BIDEN IST PRÄSIDENT. Und ja, der Artikel wird noch seriös, aber ICH BIN SO HAPPY. Vier Jahre lang stand die wichtigste Nation der Welt für alles, was schlecht auf der Welt ist - und ja, das tut sie zum Teil immer noch -, aber Biden ist ein Etappensieg, den ich persönlich 2020 einfach gebraucht habe. Und so, wie ich meine Newsletter-Audience kenne, seht ihr das genauso.
Aaaanyways, nachdem ich die letzten Tage schon Hype-Memes zur US-Wahl in diverse Gruppen gespammt habe und mich jetzt kurz mal digital ausgeschrien habe, kommen wir zum ernsten Part.
Am Dienstag hab ich zum ersten Mal das Experiment gewagt, das ich schon lange machen wollte: Ich bin in der Election Night wach geblieben. Bis 6:15 habe ich die Live-Nachrichten auf mehreren Kanälen verfolgt und mich durch unzählige KEY RACE ALERTS gekämpft - und es sah aus, als würde sich 2016 wiederholen.
Ohne Hoffnung bin ich schlafen gegangen, aber die US-Wahl ist wach geblieben. Bis Samstag hat es gedauert, als endlich bestätigt wurde, was sich seit Tagen abgezeichnet hat: Die Briefwahl-Stimmen haben die Wahl für Joe Biden gedreht, und Donald Trump ist ein One-Term-President.
Nehmt euch kurz Zeit, den Moment zu genießen.
Wie lange haben diese vier Jahre gefühlt gedauert? 8, 16, 100? Es ist unglaublich, wie viel Schaden Trump in nur vier Jahren weltweit angerichtet hat. Und es fühlt sich unheimlich gut, ja befreiend an, dass mit Joe Biden endlich wieder ein halbwegs normaler erwachsener Mensch der wichtigste Mann der Welt ist. Was das für das Land in Zukunft und den breiteren Kontext des Culture War bedeutet, werde ich in einem Folgeartikel behandeln - aber jetzt geht’s mal um einen kurzen Rundown zu dem Freudentaumel, in dem sich Europa und der vernünftige Teil der USA gerade befinden.
Was Bidens Sieg für die Welt bedeutet
Eigentlich muss man sich als halbwegs normaler Mitteleuropäer sowieso freuen, wenn in den USA ein Demokrat gewinnt. Die Demokraten sind momentan die eine Partei, die sich mit europäischen Werten vereinbaren lässt. Standards, die bei uns selbstverständlich sind, werden dort nur am “linken Rand” diskutiert, wie man an der Diskussion rund um universal healthcare beobachten kann. Aber hier noch meine Top 3, warum ich mich so über Präsident Biden freue:
Gute Nachrichten für das Weltklima. Amerika als größte Wirtschaftsmacht haben wieder einen Präsidenten, der die Wissenschaft nicht leugnet und das Problem des Klimawandels erkennt. Das ist noch nicht viel und sollte normalerweise eine Mindestanforderung an jeden erwachsenen Menschen sein, ist aber ein Fortschritt - aber weil man 2020 nichts erwarten darf, sollten wir uns darüber trotzdem freuen. Sinnvolle internationale Politik gegen den Klimawandel ist jetzt um einiges wahrscheinlicher geworden.
Internationale Allianzen werden wieder geschätzt. Als Joe Biden in einem Interview gefragt wurde, welchen internationalen Staats- oder Regierungschef er zuerst besuchen würde, antwortete er mit der NATO. “I would visit NATO and say that we’re back.” Und auch als Nicht-NATO-Staat wie Österreich sind das gute Nachrichten, denn unter Trump wurden Allianzen ignoriert und Brücken gesprengt. Es ist anzunehmen, dass die USA wieder weltpolitisch verlässlich werden. Und das mag für uns ohne aktuelle Kriegssituation im Alltag nicht auffallen, kann aber für das Schicksal von Menschenleben entscheidend sein - etwa in der Ukraine, im Südchinesischen Meer oder im Mittleren Osten.
Anti-Liberalismus ist cancelled. Trump war weltweit ein Vorbild für Politiker und Parteien am rechten Rand. Wer Schwule und Lesben ausgrenzen will, sich Frauen zurück an den Herd wünscht, offen rassistisch sein will und sich einfach nach der “guten alten Zeit” (als weißer Mann im Westen) sehnt, konnte nach Amerika schauen und sich in seinem Weltbild bestätigt fühlen. Not anymore: Wenn sogar die USA sich dafür entscheiden, dieses Projekt gegen jeden Liberalismus und Intellektualismus zu unterstützen, dann brechen bald alle Dämme. Rechte in allen europäischen Staaten haben kein Leuchtturm-Projekt mehr, auf das sie verweisen können - außer vielleicht, dass sich alle Wissenschafts-Leugner mit Corona infizieren.
Und all das wird nur noch besser, weil es nach wie vor genug Menschen gibt, die Trump gut finden. Und auch bei uns findet man sie jeden Tag - in den Facebook-Kommentarsektionen, wo Corona-Leugner und Impfgegner lebensgefährliche Propaganda verbreiten. Dieser Sieg ist eine weltpolitische Watschn gegen diese Art von Menschen. Und eine Watschn haben sie dringend nötig.
Freut euch - aber nicht zu lange, und nicht zu früh
Dass wir uns jetzt darüber freuen dürfen, heißt aber nicht, dass alles perfekt ist. Auch die US-Demokraten haben viel Arbeit mit ihrer Fehlersuche - immerhin konnte Trump sein Ergebnis in absoluten Zahlen sogar verbessern. Der Swing State Florida, den Umfragen konsequent für Biden zählten, wählt nach wie vor Donald Trump, und daran waren Latinos maßgeblich beteiligt.
Wie schaffen es Demokraten, aber auch zukünftige “anständige Republikaner”, sich gegen den nächsten Autokraten zu wehren?
Wie gewinnt man Wahlen, wenn so viele Menschen einen so katastrophalen Präsidenten sogar wieder wählen würden?
Und was sind die Gründe dafür? Sind einfach so viele Menschen Verschwörungstheorien verfallen? Oder gibt es nicht eher doch viele, die Trump zwar auch nicht gut finden, aber an den Mythos der “sozialistischen” Demokraten geglaubt haben?
Insofern will ich diesen Newsletter nicht damit beenden, dass der Status Quo wieder hergestellt ist und dass alles wieder in Ordnung ist. Trump wird weiter ein Faktor in der US-Politik bleiben. Und auch wir in Europa haben den Höhepunkt des Rechtsrucks zwar überstanden, aber haben noch einige Schlachten zu schlagen - Marine Le Pen könnte in Frankreich gewinnen, in Italien führen die Rechten in den Umfragen, und Neonazi-Parteien in Spanien und Griechenland werden beängstigend groß.
Wir sollten uns also durchaus freuen, dass 2020 endlich einmal was Gutes passiert ist und die Rassisten, Verschwörungstheoretiker und Wissenschafts-Leugner ihr Leuchtturm-Projekt verloren haben. Und wir sollten das auch nutzen, um ihnen deutlich zu machen: Ihr habt nicht Recht, und ihr seid nicht die Mehrheit. Aber gleichzeitig sollten wir jetzt nicht den Fehler machen, in permanenter Feierlaune zu bleiben. Denn in den USA und in Europa geht der Struggle weiter - und wir sollten die Augen offen halten, wenn der nächste Trump im nächsten Land antritt und die Fehler nicht wiederholen, die die Rechten schon einmal groß gemacht haben.
Aber bis dahin … darf man ruhig genießen, wie die rechten Trolle in Verschwörungstheorien abdriften und ausrasten. Ich glaube, das haben wir alle gebraucht. 😉
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Sonst hab ich noch Facebook, Twitter und Instagram. Und weil die Werbeeinschaltung heute sehr lange dauert: Hier, hier und hier noch TikTok-Memes zur US-Wahl.